Friedhofparty (5)


Dort angekommen, ist das ganze Filmteam schon versammelt.

Hier ist alles begraben, was Rang und Namen hat und altehrwürdige Mausoleen reihen sich inmitten eines unübersichtlichen Gewirrs kleiner Gassen und Wege aneinander.

Als Joao, Fiona, die Spülbürste und Thiago das Filmset betreten, ist bereits alles in vollem Gange.

Ein dürrer, unscheinbarer Regisseur befindet sich im Gespräch mit einem ziemlich hibbelig wirkenden Pärchen aus Deutschland. Sie stehen neben einem Grabmal. 

Er tritt nervös von einem Bein aufs andere und nuschelt dabei: "Ehm- ok- wunderbar- dann, äh, stellen sie sich mal hier hin, also nein, besser- dort - und tun sie so, als würden Sie an diesem Grab hier vorbeilaufen und es - äh- ganz - äh ja, wunderbar finden. Hier ruht ja die berühmte Evita Peron- das ist Ihnen ja sicher bewusst."

Die beiden nicken. Die Frau plappert aufgeregt: "Das wollten wir uns eh gerade ansehen!" Und der Mann sagt wichtigtuerisch: "Ach ja ach ja, don't cry for me, Argentina-" 

"Jaja genau" sagt der Regisseur und lächelt gezwungen. "Ich sehe, sie -äh- kennen sich aus- "

und fügt zu den neu dazugekommen kurz hinzu: "Für die - ähm- Authentizität des Spots haben wir uns entschieden, zufällige Friedhofsbesucher auszuwählen, die wir dabei filmen werden, wie sie das Grab der berühmten Evita Peron besuchen."

"Wer ist das denn? Warum war sie denn so berühmt?" Fragt der kleine Wasserkocher mit weit aufgerissenen Augen.

"Nun- ähh- sie hat sehr viel für die Armen getan. Ein Vorbild hier in Argentinien, ja, viele Leute - ähm, ja- verehren sie regelrecht. Aber nun, wenn ich bitten darf - in Position - laufen Sie einfach entspannt hier aus dieser Richtung an dem Grab vorbei, ja, und sagen sie zu ihrer Begleitung, wie schön Sie dieses Grab finden und dass Sie nur deshalb nach Argentinien gekommen sind. Und - ehm- wenn es Ihnen nichts ausmacht, dann knien sie vielleicht noch nieder, und, äh, ja, küssen es, vielleicht hier an der Stelle, dort." Er zeigt auf eine Stelle am Grab, die ein wenig abgenutzt aussieht, als hätten dort schon viele ihre Lippen auf den kalten Stein gepresst.

"Küssen??" Fragt der Mann, und die Augen quellen ihm leicht aus dem Kopf. "Also das wäre mir jetzt doch ein wenig viel."

Er schürzt die Lippen und blickt zu seiner Frau hinüber, die ihm jedoch das Haar zerzaust und sagt: "Ach Liebes, wenn man überlegt, was du sonst schon so alles geküsst hast..."

Sie kichert leicht überdreht, klammert sich an seinem Arm fest und flüstert ihm ins Ohr: "Diese furchtbare mit den grellen roten Fingernägeln, mit dem knappen Bikini und diesem schrecklichen Tattoo auf dem Rücken- weißt du noch, riesengroß, ein Hubschrauber, dass dir die gefallen hat, kann ich immer noch nicht glauben- weißt du, als wir uns kennen gelernt haben- "

"Ilse!!!" Flüstert der Mann erzürnt und Röte steigt ihm ins Gesicht. "Das geht hier wirklich niemanden was an, außerdem war sie immer sehr hilfsbereit!"

Der kränklich wirkende Regisseur blickt von einem zu anderem, räuspert sich kurz und fährt dann fort: "Ja also, bitte, fangen Sie an, wie gesagt, wir haben nicht allzu viel Zeit, ein kleines - ähm, Küsschen, mehr muss es ja auch gar nicht sein."

Kameramänner hüpfen in Position, Licht wird angepasst, und nach mehreren Anläufen ist die Katze im Sack.

... "und jetzt, wenn ich bitten darf, bereitmachen für die Tangoszene!!"

Bürstchen und Thiago werfen sich düstere Blicke zu und treten in den Schatten zwei besonders ehrwürdig wirkender Mausoleen.

Ein Orchester beginnt zu spielen, die Sonne hängt blutrot am Himmel- romantischer geht's kaum.

Bürstchen und Thiago wiegen sich zum getragenen Bandoneon, machen die ersten Schritte - doch - neee.

"Stop Stop Stop!!" Krächzt der Regisseur, er hat keine gute Stimme.

"Nochmal, konzentriert euch, versucht es so richtig zu fühlen- denkt dran, ein guter Tango ist nur gut, wenn das Knie des Mannes feucht ist- aber wem sag ich das.. losloslos!! In Position!!"

Aber, um allem noch einen draufzusetzen, marschiert auf einmal ein wichtig aussehendes Männchen auf den Friedhof, in Begleitung eines anderen wichtig aussehenden Männchens.

Der Regisseur stöhnt: "Oh nein, was wollen die denn hier...der Kunde..!!"

Die beiden ungeladenen Gäste stellen sich wichtigtuerisch am Rand auf und flüstern sich irgendwelche Sachen ins Ohr.

Ihre Mienen verfinstern sich zusehends, als sie Bürstchen und Thiago beim Tangotanzen zuschauen.

Nach zwei weiteren missglückten Anläufen dreht sich eines der Männchen mit wutverzerrtem Gesicht zu dem kleinen Regisseur um und kreischt: "Was haben Sie sich denn überhaupt dabei gedacht, eine Spülbürste als weiblichen Tangopart zu engagieren!! Das wirkt doch überhaupt nicht!! Wir wollen unseren Gästen heute Abend bereits eine erste Version des Filmes vorstellen können und die Bitch soll heiß sein!! "

Hier überschlägt sich seine Stimme kurz.

"Ich erwarte, dass sie das unverzüglich regeln. Schicken Sie diese Spülbürste weg, die hat ja nun wirklich null, aber NULL Ausstrahlung!!! Ich dachte, Sie seien professionell, wissen Sie eigentlich, was wir Ihnen bezahlen???!"

Er dreht sich um und marschiert vom Friedhof, das andere wichtig aussehende Männchen hintendrein.

Sie sind wieder allein.

Bürstchen spritzen Tränen aus den Borsten und sie rennt vom Friedhof.

Thiago hinter ihr her ("Bürstchen!! ich weiß doch, was du drauf hast!!").

Der Regisseur, der eh schwache Nerven zu haben scheint, setzt sich müde auf den Boden, wippt mit dem Oberkörper vor und zurück und nuschelt vor sich hin: "Was machen wir denn jetzt, was machen wir denn jetzt, und diese Ausdrucksweise, also wirklich...die Bitch soll heiß sein... also ich bitte doch..."

Aber sie haben die Rechnung ohne Joao gemacht, der bereits wieder am Grübeln ist, wie er die Situation retten kann.... 


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