Wenn der Reißverschluss nicht zu geht (11)


"... ja also, junge Frau, da muss ich Sie leider enttäuschen. Ihren Großvater habe ich nicht gekannt.

Natürlich tut es mir Leid, zu hören, was mit Ihrer Firma passiert ist- aber offen gestanden hätte diese Wendung der Dinge verhindert werden können.

Von jemandem, der derart lange im Geschäft war, wie ihr Großvater, hätte ich in diesem Zusammenhang mehr Weitsicht erwartet, aber gut, ich denke, das ist der Trugschluss des Alters... Zu meinen, alles erlebt zu haben, und alles zu wissen... aber nein, leider ist dem nicht so. Tja."

Er macht eine wegwerfende Bewegung und blickt Fiona bedauernd an.

"Aber Monsieur..." schnurrt diese- aber da hat ihr dickbäuchiger Gesprächspartner bereits Joao erblickt, der mit unschuldigem Gesicht neben ihnen steht und gelauscht hat.

Ein begeistertes Strahlen zieht sich über sein rundes Gesicht.

"Einfach unglaublich! Ich war ja SO begeistert von ihrer Tanzeinlage vorhin. Habe gehört, Sie sind nur kurzfristig eingesprungen. Unglaublich, unglaublich. Ich würde ihnen gerne meine Karte geben, hier- "

er wühlt in seiner Hemdtasche und zieht eine Visitenkarte heraus.

"Melden Sie sich, wenn Sie etwas brauchen. Abgesehen davon, dachte ich... also, folgendes, meine Nichte heiratet in zwei Wochen, und ich könnte mir vorstellen- eine Vorführung, als Hochzeitsgeschenk... ich verstehe schon, dass Sie viel beschäftigt sind und mit Sicherheit einiges an Terminen wahrzunehmen haben, aber Sie müssen mir nur ihren Preis nennen... "

Joao zieht die Augenbrauen ganz weit hoch.

Fionas Mund ist ein wütender schmaler Strich.

"Na sichi!!" sagt Joao beschwingt. "Ich bin ziemlich billig. Gerne. Ich hab auch eigentlich nie was vor."

Der Mann strahlt noch mehr. "Na ganz toll!!!"

Joao guckt auf die Karte. "Aha!" ruft er "Sie sind ein Ingenieur!!"

Der Mann guckt kurz verwirrt und lacht dann nachsichtig. "Ja, ja, das bin ich wohl."

Joao kneift die Augen zusammen und legt den Kopf schief. "Haben Sie nicht vorhin auch auf der Bühne gestanden?"

"Ein Gedächtnis wie ein Sieb- hahahaha- aber ihr Gehirnschmalz evaporiert ja auch kontinuierlich, nicht wahr, Sie Wasserkocher, Sie - ja, ja,

ich repräsentiere den Windpark El Angelito in Patagonien, ein MEGAprojekt, aber das interessiert Sie ganz bestimmt eher weniger, wo haben Sie denn so gut Tanzen gelernt??"

Joao winkt ab.

"Ach das Tanzen!! Ich bin halt damit groß geworden, Sie wissen schon- musikalische Früherziehung. Aber jetzt lassen Sie sich doch nicht so bitten und erzählen mal! Windparks finde ich nämlich ganz toll. Mit den Windrädern habe ich auch irgendwie immer direkt eine nette, freundschaftliche Ebene gehabt, wenn wir uns mal so zufällig getroffen haben! Sie wissen schon, manchmal trifft man jemanden, und da passt das dann einfach direkt wie Arsch auf Eimer !! Ja das war bei uns irgendwie immer so. Also- "

"Jajaja ich weiß genau, was Sie meinen!!" unterbricht der Dickbäuchige strahlend. "Das war bei meiner Ex - Frau genauso!! Ich hab sie gesehen- also, ich meine, wir haben uns gesehen- im Schwimmbad war das, sie hatte so einen schönen Badeanzug an, mit einer frechen Katze drauf, da konnte ich gar nicht aufhören zu starren. Also- das lag natürlich nicht nur an dem Badeanzug, auch an ihren, naja, wie soll ich sagen, ihren Rundungen  -ich bin auch nur ein Mann, verstehen Sie- " er zwinkert Fiona zu- "aber da musste ich sie einfach auf eine Pommes mit Mayo einladen! Ging einfach nicht anders. Zwei Monate später habe ich sie vor den Traualtar gezerrt, ich meine natürlich- geführt, hahahaha, ja, wir wollten das ja beide, naja, aber manche Dinge sind eben einfach nicht für die Ewigkeit bestimmt."

Er schluckt, guckt nachdenklich und leicht traurig zwei Damen in einer Ecke zu, von der die eine versucht, der anderen den Reißverschluss ihres Kleides hinten hochzuziehen. Das scheint sich aber schwierig zu gestalten, vielleicht ist der Reißverschluss kaputt. 

Ein Kellner kommt mit einem Tablett voll Wein vorbei.

Der Dickbäuchige stupst ihn an, und flüstert ihm zu: "Ach spendieren Sie doch den beiden Ladies da vorne ein Glässchen von mir und richten einen netten Gruß aus" und zwinkert verschwörerisch.

"Aber die sind doch sowieso alle umsonst." Sagt der Kellner. "Macht doch nix." Gluckert der Dickbäuchige und murmelt Fiona zu: "Irgendwie ist mein Blut gerade in Wallungen geraten.." Fiona maunzt erzürnt.

Der Kellner geht zu den beiden Ladies, von denen die eine nun heftig am Reißverschluss der anderen herumruckelt, und drängt ihnen zwei Gläser Wein auf.

Beide gucken stirnrunzelnd zu ihnen hinüber, und widmen sich dann wieder ihrem Problem.

Jetzt ist es noch schwieriger, den Reißverschluss zuzukriegen, mit dem Wein in der Hand.

Fiona, Joao und der Dickbäuchige starren ungeniert zu ihnen hinüber.

Joao, der Weiberheld, fasst sich dann ein Herz und marschiert los.

Warum auch immer, denn mit Reißverschlüssen kennt er sich bestimmt nicht aus...


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