Im Fitnessstudio - Vorgeschichte (0.3)


Sie überqueren die Straße und betreten "McFit - 9,99€ für drei Monate, solange der Vorrat reicht" "Was denn für ein Vorrat" murmelt Joao verwundert, als sie auf die Rezeption zu marschieren.

"Hallo Guten Tag!" Sagt Edgar selbstsicher zu der blonden, sportlich aussehenden Rezeptionsdame. "Der junge Herr hier würde gerne ein Probetraining absolvieren, geht das?" "Sichi!" Sagt die blonde Frau beschwingt während sie mit offenem Mund auf ihrem Handy herumscrollt. "Handtuch?" Fragt sie. Joao nickt leicht verunsichert, er war noch nie in einem Fitnessstudio gewesen.

Um ihn herum loggen sich muskulöse mit Sporttaschen behängte Orang Utahs ins Studio ein, gehen durch ein Drehkreuz und stapfen links eine Treppe zu den Umkleiden hoch. Auf der anderen Seite ist alles voll mit Laufbändern, auf denen sich pummelige Pandas abstrampeln. Joao flüstert: "Ich wusste nicht, dass hier so viele Tiere sind." Edgar antwortet laut abschätzig: "Die haben hier eigentlich auch nichts verloren" und rümpft die Nase.

Kurz darauf stehen sie in kurzen Hosen (Edgar hat Joao eine von seinen geliehen) vor einer Maschine für die Brustmuskeln. Ein Gorilla sitzt breitbeinig auf einer Bank und drückt zwei Griffe von außen gegeneinander. Die Adern auf seiner Stirn und an seinem Hals treten hervor. Joao starrt ihn mit offenem Mund an. Edgar, der das Szenario natürlich schon kennt, will ihn genervt weiterzerren, aber Joao ist wie festgewachsen. Der Gorilla stiert ihn böse an, während er die Griffe erneut zusammenpresst und aufbrüllt. Schweißperlen spritzen von seiner Stirn. Joao zuckt zusammen. Er ist wie hypnotisiert.

Edgar ist jetzt wirklich sauer und sagt sehr bestimmt: "Jetzt lass Maurizius seine Übungen machen und KOMM!" Joao taumelt kurz und lässt sich dann von Edgar weiterziehen.

Er hechelt atemlos: "Was?! Du kennst den??" Edgar verdreht die Augen:" JA das ist Maurizius. Den kenn ich schon seit dem ersten Tag. Der ist Kindergärtner und sehr nett, er hat mir damals gezeigt, wie ich effektiver meinen unteren Rücken trainieren kann."

"Sah gar nicht so nett aus" nuschelt Joao ungläubig und wirft einen verstohlenen Blick zurück über die Schulter, zu dem bösen Gorilla auf der Pressmaschine. "Was willst du denn trainieren?" Fragt Edgar. "Was sind deine Ziele? Willst du deine Kondition verbessern, Gewicht reduzieren oder an Kraft zulegen? Darüber solltest du dir Gedanken machen!" Joao runzelt die Stirn. "Joooa ehm." Er schaut an seiner gewölbten metallenen Hülle hinab. "Vielleicht Gewicht reduzieren." Traurig fügt er leise hinzu: "Damit ich auch mal angeschaut werde, nicht immer nur Roberto." "Wer ist denn Roberto?" Fragt Edgar und fügt, ohne eine Antwort abzuwarten, hinzu: "Also ich hab mir letztens eine Stilzerrung zugezogen und kann deshalb nur meine Borsten trainieren. Wenn du mich suchst findest du mich also da vorne auf den Medizinbällen OKAY viel Spaß bis dann." Er wuselt davon.

Joao steht allein perplex in der Mitte des Fitnessstudios. Apologize eh eh eh schallt aus den Boxen. Das Lied ist doch schon ewig alt. Da sieht er einen weiß gekleideten Trainer herumirren. Er zupft ihn am Ärmel und fragt: "Wo soll ich denn hin, wenn ich Gewicht verlieren will?" Der Trainer hat einen leicht gehetzten Gesichtsausdruck und antwortet: "Bauch Beine Po fängt gerade an, du schaffst es noch, wenn du dich beeilst, einfach die Treppe hoch." Er rennt davon. Joao zieht die Augenbrauen hoch und denkt sich, wenn er das sagt, und hievt sich zögernd die Treppe hinauf.

Weil er so klein ist, muss er sich immer mit einem Fuß auf die nächsthöhere Treppenstufe ziehen und ist ein wenig langsam. Leute hasten an ihm vorbei, hoch und runter und würdigen ihn keines Blickes. Eine Weile später ist er oben und sieht schon durch eine geöffnete Tür einen dunklen Raum, aus dem laute Musik wummert und eine mikrophonverstärkte weibliche Stimme herauskreischt: "You can do iiiiit"

Ermutigt läuft Joao in den dunklen Raum. Ca 15 Leute räkeln sich auf Yogamatten. Ihre Gesichter sind rot und schweißüberströmt. Eine Frau mit grellpinkem Lippenstift und Pferdeschwanz in grellpinkem Sport BH reckt auf einer kleinen Bühne an der Stirnseite des Raumes den Unterbauch in die Höhe. Alle ahmen sie zitternd nach. Joao fragt sich zögerlich, ob jetzt von ihm erwartet wird, das auch zu machen. Er erblickt hinten an der Wand aufgestapelte Yogamatten und schnappt sich eine, legt sie auf den Boden und reckt ebenfalls seinen Unterbauch in die Höhe, was nicht so leicht ist, bei seiner Statur. Er keucht angestrengt. Heißer Dampf steigt von ihm auf. "Noch 10 Sekundeeeeeeen" feuert die Trainerin sie an. Eine Frau neben Joao stöhnt "Mein Herz" und bricht zusammen. Dampfwolken steigen aus Joaos Kopf und sammeln sich an der Decke, Wasser läuft ihm in kleinen Bächen die metallene Hülle hinab, um ihn herum bildet sich eine Pfütze. Er keucht angestrengt und mit einem lauten Pfeifton bricht er auch zusammen. Als ob nichts gewesen wäre, ruft die Fitnesstrainerin "..zum warm werden- Hampelmann!!" Alle rappeln sich auf und hüpfen auf und ab.

So geht es weiter, alle Übungen sind für den kleinen Wasserkocher aufgrund seiner Statur viel viel anstrengender als für die anderen, und so lässt sich nicht verhindern, dass sich die Dampfschaden ausbreiten und bald die Raumtemperatur aufs doppelte gestiegen ist. "Feuer!!" Ruft irgendeine Dramaqueen. Ein Mann kreischt.

"Neinneinnein!!!" versucht Joao zu beschwichtigen, aber ihn hört keiner, und es ist zu spät. Ihre Handtücher umklammernd rennen die Menschen aus dem Raum, die Trainerin stöpselt hektisch die Musikbox aus der Wand, klemmt sie sich unter den Arm und hastet ebenfalls aus dem Raum. Der kleine Wasserkocher ist nun alleine. Er seufzt. Ein guter erster Eindruck ist was anderes. Und es ist immer noch sein erster Tag in einem komplett fremden, unbekanntem Land, in dem er niemandem kennt. Wo er die Nacht verbringen soll, weiß er auch noch nicht.

Traurig rollt er sich vom Boden hoch und richtet sich auf. Den Stecker hinter sicher herschleifend latscht er mit gesenktem Kopf Richtung Tür, wird aber von der Fitnesstrainerin in ihrem pinken Sport BH umgeworfen, die, mit einem Feuerlöscher bewaffnet in den Raum stürmt und mit irrem Blick wild anfängt zu sprühen. "Wo ist das Feuer??" Schreit sie und sprüht und sprüht. Joao räuspert sich, und sagt:" Jetzt beruhigen Sie sich doch, calma menina, hier gibt es gar kein Feuer!! Das ist doch nur mein Wasserdampf." Aber natürlich hört sie ihm nicht zu. Sie spritzt und sprüht und macht dabei ganz komische Geräusche.

Unauffällig bewegt er sich leicht trippelnd rückwärts Richtung Ausgang. Dampf strömt ihm immer noch aus dem Kopf, aber nicht mehr so viel wie vorher. Kurz darauf steht er draußen, dreht sich um und blickt in eine Schar angstgeweiteter Augen.

Jemand flüstert ihm mit vorgehaltener Hand panisch zu: "Was macht sie dadrin!!" Man hört neben der Spritzgeräusche laut und deutlich merkwürdige Grunzlaute.

Joao sagt, er glaube, sie habe einen Komplex. Der andere nickt sinnierend und murmelt, das muss es sein, ja, das muss es sein, ein Komplex, runzelt die Stirn und flüstert das gleiche seinem Nachbarn ins Ohr, der die Botschaft weitergibt.Immer mehr Leute fangen an, die Stirn zu runzeln, zu nicken und dabei zu murmeln: "Ein Komplex, ja, das muss es sein, ein Komplex."

Mittlerweile hat sich das gesamte Fitnessstudio vor dem Raum versammelt. Die ganz Mutigen stehen gehäuft um die geöffnete Tür herum, wie Insekten am Eingang zum Bau und äugen vorsichtig hinein. Atemlos beobachten sie, wie die Trainerin den Feuerlöscher wild im Raum herumschwenkt, ihn gegen die Wand krachen lässt, dabei brüllt und juchzt und grunzt und alles vollspritzt. Sie scheint ein paar lange gehegte Blockaden zu lösen, vielleicht sollte man ihr das lassen.

Edgar, der Besen, drängt sich durch die Menge. "Was machst du denn da!!!" Ruft er aufgebracht Joao zu, als ob er Schuld an dem ganzen Fiasko sei. Joao stottert verlegen, dass er eigentlich nur Gewicht reduzieren wollte, aber dass dann alles irgendwie eskaliert sei. Er verschränkt die Arme hinter dem Rücken und wippt mit den Fußballen auf und ab. Edgar betrachtet ihn mit bösem Blick. "Dass die Situation eskaliert ist, kann ich sehen!!!" Der unheimliche Gorilla, der vorhin mit herausspringenden Stirnadern Gewichte zusammengedrückt hatte, taucht auch an ihrer Seite auf. Er knackt mit seinen Gelenken und grummelt: "Ey Edgar, Soll ich diese kleine aufmüpfige Kanne zerquetschen? Mach ich mit links..." Er funkelt Joao zornig an und ballt die Faust. Bibbernd vor Angst huscht Joao davon und versteckt sich hinter einer Säule, hinter der er zaghaft hervorlugt, um zu sehen, was vor sich geht. 

Da kommt die Fitnesstrainerin raus. Sie ist vollkommen mit Schaum durchnässt und eingesprüht, das Haar hängt ihr nass herunter und Wasser läuft an ihrem Oberkörper hinab. Alle Männer glotzen. Sie wischt sich beiläufig über die Stirn und sagt: "Hui, das hat gut getan. Jetzt muss ich mein kleines Mädchen vom Kindergarten abholen, kann vielleicht ab hier jemand übernehmen? Glaube das Feuer ist aber auch so gut wie aus." Und mit diesen Worten drängelt sie sich durch die Menge und ist verschwunden.

Vorsichtig tasten sich die besagten ganz Mutigen in den Raum und sehen sich nach etwaigen kleinen Flämmchen um, aber da ist nichts zu sehen. "Entwarnung!" Ruft irgendjemand, und weil es nichts weiter zu gucken gibt, sind alle bald wieder mit ihren Oberschenkeln und Bäuchen und Bizepsen beschäftigt.

Edgar und Joao trainieren noch ein bisschen ihre Waden und beschließen dann, dass es Zeit wird, zu gehen. Auf dem Weg nach draußen winkt die blonde Rezeptionistin Joao beiseite und versucht ihm, gemeinsam mit einem hünenhaften, bärtigen Troll, eine Mitgliedschaft zu verkaufen, außerdem die Plastiktrinkflasche mit Logo des Studios, eine Getränkeflat und einen Rieseneimer voll Whey Protein für nur 1000 Euro.

Während Joao hektisch überlegt, wie er das nötige Geld beschaffen soll und schon beinahe alles unterschrieben hat, zerrt Edgar ihn aus dem Studio. "In Euros wird hier sowieso schonmal nichts gemacht, hast du mich verstanden?!"
"Edgar leih mir doch was" bettelt Joao ihn an und blickt begehrlich ins Fitnessstudio zurück, wo die Rezeptionistin verführerisch mit der Plastikflasche wedelt.

"Neinneinnein!" Sagt Edgar nur und zerrt Joao fort, der betrübt seufzt, dass er sich immer alles andrehen lässt, und dass nein sagen sicher manchmal auch gar nicht so verkehrt ist. Schweigend gehen die beiden zusammen die Straße entlang. "Hätte ich Geld, würde ich dir einen Prozentsatz anbieten, von dem Geld, welches ich spare, weil ich von dir davon abgehalten werde, irgendwelchen Kram zu kaufen. Wir könnten gemeinsam reich werden, nur müsste ich dazu schon reich sein." Nuschelt Joao bedrückt.

"Tja!" Macht Edgar und wirft die nicht vorhandenen Arme in die Luft. "Ist ja wohl müßig darüber zu sprechen!" Er marschiert frustriert einen Schritt schneller.

"Wohin gehen wir jetzt?" Fragt Joao und bemüht sich, Schritt zu halten. Edgar räuspert sich. "Ich - äh- konnte einen Deal aushandeln. Wahrscheinlich wird es dir nicht gefallen, da Maurizius jetzt ja auch nicht allzu nett zu dir war, aber du hast ihn auch ziemlich angestarrt, muss man sagen. Also, Maurizius ist wirklich nicht so unheimlich wie er aussieht, wie gesagt, er ist Kindergärtner. Jedenfalls - ist ihm seine Kanne vorgestern kaputt gegangen. Nun ja, jedenfalls sagt er, er hätte Verwendung für dich und hat sich bereit erklärt, mich - nun ja- gut zu bezahlen, wenn ich dich ihm überlasse, und, nun ja, nicht selbst behalte, und er will dich - ehm- auch nicht zerquetschen. Wie gesagt, er hat ja auch Verwendung für dich. Du verstehst sicher, dass ich auch über die Runden kommen muss. Und da du eh gerade nicht weißt, wo du hinsollst..." er läuft noch einen Schritt schneller. Joao fällt nun in den Laufschritt, um nicht zurückzubleiben. "Was??!" Schnauft er, er kann es nicht fassen. "Du hast mich verkauft??! Ich gehöre dir doch nicht!!!!" Eine Welle der Verzweiflung übermannt ihn.

"Du- äähh- kannst ja gehen, wenn es dir dort nicht gefällt." Antwortet Edgar. Was natürlich eine Lüge ist. Einmal gefangen, immer gefangen. 

Weiter gehts 29.01. 12:00


Leave a comment