Frustriert beginnt Joao sich zu langweilen und weiß nicht so recht, was er nun tun soll.
Er könnte sich mal mit den anderen Küchengeräten austauschen, ob es Möglichkeiten für ein kurzfristiges Anstellungsverhältnis gibt, oder so. Er rutscht von seinem Stuhl hinunter und läuft ohne weitere Erklärungen zurück ins Haus und zum Kühlschrank, der träge die brasilianische Nationalhymne vor sich hinsummt.
"Hey du!" Sagt Joao forsch und gibt ihm einen Klaps. Erschrocken zuckt der Kühlschrank zusammen. "Was willst du denn!!" Ruft er irritiert, "Schlag mich doch nicht!"
"Sorry! Aber Hey - ich brauche deine Hilfe. Ich bin ein Wasserkocher und hier gestrandet. Ich weiß nicht wo ich hin soll."
Der Kühlschrank gähnt. "Da kann ich dir auch nicht helfen. Hier ist kein Platz, tut mir Leid." Und wendet sich ab.
Das Gesicht des kleinen Wasserkochers verzerrt sich zu einer verzweifelten Fratze, wie von einem Baby, Tränen quellen aus seinen zusammengekniffenen Augen, er fühlt sich jetzt wirklich heimatlos und alleine. Er schluchzt: "Aber wo soll ich denn hin!!" Und sehnt sich verzweifelt nach Roberto und seinem Piratenschiff zurück.
Da meldet sich das Waschbecken zu Wort. Es gurgelt: "Nun mal mit der Ruhe. Hier in Brasilien wird es schwierig für dich werden. Das weiß ich aus Erfahrung, ich musste mich erst lange unverzichtbar machen, bevor ich auch nur ansatzweise als die, die ich nunmal bin, akzeptiert wurde. Das bedeutet: Arbeiten. Viele, viele Jahre umsonst. Das ist nicht für jedermann. Du hast das Problem, dass dich hier niemand kennt. Und was man nicht kennt, will man nicht. Hast du an Georg gesehen"- der Kühlschrank schnauft protestierend- "du könntest also erstmal versuchen, etwas zu sein, was man hier kennt, damit man sich an dich gewöhnen kann- du könntest zum Beispiel als Kanne herhalten. Der Kühlschrank war anfangs auch nur ein Schrank. Und ich eine vertiefte Ablagefläche. Und mit der Zeit zeigst du denen, was du wirklich draufhast. Und irgendwann können sie nicht mehr auf dich verzichten."
"Als Kanne!!!" kreischt der kleine Wasserkocher, Tränen spritzen ihm überall hin, er hat sich noch nie so entwürdigt gefühlt. Als würde man ihn seiner Männlichkeit berauben. Das Waschbecken verdreht in einer gleichgültigen Geste den Wasserhahn und sagt erfreut: "Mehr kann ich dir auch nicht helfen."
Da murmelt ein an die Wand gelehnter fusseliger, staubiger Besen heiser: "Argentinien, mein Junge. ich sag nur, Argentinien. Da wird man dich zu schätzen wissen. Die schlürfen den ganzen Tag Tee, die sind süchtig danach, die werden süchtig nach DIR sein, ich weiß das noch aus Erzählungen meiner Großmutter. Man wird dich mit Kusshand aufnehmen und auf einer Sänfte durch die Stadt tragen, wie damals den Herd, als er die Gnade des Königs erlangte, nachdem er ihm 1001 Nacht lang Tiefkühlpizzen gebacken hatte - die der König selbstverständlich zuvor gezwungen zwar zu lutschen."
Der Kühlschrank Georg verdreht die Augen und sagt genervt: "Immer die gleichen Geschichten." Das Waschbecken rümpft den Wasserhahn wie einen Elefantenrüssel. Der kleine Wasserkocher schluckt. Er atmet immer noch heftig ein und aus, beruhigt sich aber langsam. Seine metallene Hülle ist tränennass.
"Aber- aber- meinst du nicht, dass es ein Versuch wert wäre, die Brasilianer von meinen Fähigkeiten zu überzeugen und ihnen zu imponieren? Ich könnte ihr Leben schließlich um einiges einfacher machen!" Der Besen macht: "hhhmm" und wiegt sein Stilende bedächtig hin und her. "Einen Versuch ist es vielleicht wert. Aber schwierig. Die Frage ist jetzt natürlich, aus welchem Holz du geschnitzt bist."
Der kleine Wasserkocher schluckt. Zögernd sagt er: "Naja... aus Metall! Das ist härter als Holz." Der Besen schaut ihn nachdenklich an, kneift die Augen zusammen und nickt sinnierend. "Na gut... dann versuch dein Glück, mein Junge, versuch dein Glück." Wichtigtuerisch fügt er hinzu: "In the end we only regret the chances we didn't take."
Das Waschbecken gurgelt verächtlich im Hintergrund: "Halt doch mal dein Maul, Edgar, du bist nicht zum Aushalten." Der Kühlschrank knallt seine Tür auf und zu, um Aufmerksamkeit zu kriegen, und sagt dann laut: "Könnt ihr mal ruhig sein, ich versuche hier zu schlafen!" "Wieso willst du denn um diese Uhrzeit schlafen, Georg? Bist du krank?" Fragt Edgar, der Besen, ehrlich besorgt. Der Kühlschrank und das Waschbecken verdrehen genervt ihre Hähne und Knöpfe und hüllen sich in Schweigen.
Der Besen schürzt die Lippen und murmelt etwas niedergeschlagen: "Du siehst, man gibt hier nicht so viel auf mein Wort. Dabei habe ich die Universität absolviert, ob du es glaubst oder nicht, ich bin ein Akademiker und manchmal gehe ich auch ins Fitnessstudio!" Der kleine Wasserkocher versteht zwar nicht, was das eine mit dem anderen zu tun hat, aber in seinem kleinen Erbsenhirn hat sich definitiv festgesetzt, dass es zu seinem jetzigen Zeitpunkt nicht verkehrt sein kann, Verbündete zu finden, deshalb bemüht er sich, freundlich zu Edgar, dem Besen, zu sein. Ausgestoßene haben ein Ohr füreinander.
Also schlägt er vor: "Wenn du möchtest, können wir mal zusammen ins Fitnessstudio gehen. Mir liegt auch viel an einer guten Figur." Edgar strahlt. "Gerne!" Jauchzt er "von mir aus gleich jetzt!" und macht übermütige Körperwellen mit seinem Stab. "Ganz schön beweglich!" Murmelt Joao anerkennend und mustert den Besen von oben bis unten, der vor Stolz erglüht und sich krampfhaft bemüht, noch bessere Körperwellen zu machen.
Er stiert Joao erwartungsvoll an. Langsam wird es unangenehm und die Sekunden ziehen sich in die Länge.
Joao räuspert sich und lächelt: "Voll gut Edgar, wollen wir los?"
Fortsetzung morgen 07:00
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