Ein nettes Rendez- Vous (1)


 

Ein Mann in einer orangen Weste brüllt sinnlos herum und rennt über den Flugplatz. Er fuchtelt hektisch mit den Armen. Idiot. Fiona sitzt im Flugzeug. An einem Fensterplatz, und schaut hinaus. 

Sie atmet tief durch.

Flugbegleiterinnen rennen den Flur hoch und runter. Die haben auch nichts im Hirn, sieht man ja schon daran, wie sie geschminkt sind.

Fiona blickt sie verächtlich aus den Augenwinkeln an, und zieht dann ihren Mp3 Player hervor, um sich nicht ihre "Positive Vibes" von dieser Umgebung kaputtmachen zu lassen.

Sie drückt die kleinen Kopfhörer in ihre spitzen Katzenohren, nicht optimal, aber geht.

Sie lehnt sich zurück, schließt die Augen und gibt sich ganz ihrer Aufnahme von "Mäusequieken" hin.

Das erfüllt sie immer mit Frieden.

Ganz langsam entspannt sie sich, während die Flugbegleiter ihr Kaspertheater im Gang aufführen, mit einer losen Gurtschnalle herumwedeln, Sauerstoffmasken auf ihre schwitzigen Gesichter pressen und generell krankhafte Bewegungen machen.

Das Flugzeug bewegt sich.

Beginnt zu rollen, nimmt an Geschwindigkeit zu. Ein wohliges Kribbeln stellt sich in Fionas Bauch ein. Sie mag dieses Gefühl kurz vor Abflug. Wenn die Motorengeräusche anschwellen, das Flugzeug immer schneller wird, und dann das kurze nichts, wenn die Räder vom Boden abheben.

Ihre Schnurrbarthaare vibrieren.

Sie schaut hinaus und sieht zu, wie rasch der Boden kleiner wird, sich langsam ein Flickenteppich unter ihnen ausbreitet. Als sie unangenehm aus ihrer Entspannung gerissen wird.

Ein kontinuierliches Stoßen an ihrer Armlehne.

Ärger kocht in ihr hoch.

Wütend dreht sie sich zur Seite, und ihr Blick fällt auf einen kleinen Wasserkocher, der abenteuerlich weit vorne zwischen die Armlehnen gepresst ist.

Er ist drauf und dran, herauszupoppen und durch das gesamte Flugzeug zu fliegen.

Sein Gesicht ist knallrot vor Anstrengung, sich in seinem Sitz zu halten.

Angeschnallt ist er auch nicht.

"Schnall dich an!" Miaut sie genervt.

"Ich- ich- ich kann nicht!!" Presst er hervor, Panik in den Augen, kurz davor, die Kontrolle zu verlieren.

Heißer Dampf blubbert ihm aus dem Kopf.

Sie verdreht die Augen, irgendwas ist immer. NIE hat man seine Ruhe.

Sie greift um den kleinen Wasserkocher herum, fummelt nach dem Gurt, und zieht ihn mit gewaltiger Anstrengung, ihn aufs äußerste dehnend, um seinen Stahlkörper herum und steckt die Schnalle zusammen.

Der kleine Wasserkocher atmet auf.

Auf einmal hat er auch viel mehr Platz, er hätte schon früher ausatmen sollen.

Erschöpft plumpst er in seinen Sitz- was auf einmal kein Problem mehr ist- und schaut mit glänzenden Augen zu Fiona auf.

"Danke!!" Stöhnt er erleichtert, während Wasserdampf aus seinem Kopf strömt und Fionas Kinn von unten anfeuchtet.

Angeekelt wendet sie sich ab.

Zaghaft versucht der kleine Wasserkocher, nun trotzdem ein Gespräch in Gang zu bringen.

"Und- wie ist ihr Name, wenn ich fragen darf? Und woher kommen Sie? Und was machen Sie in Buenos Aires?"

Genervt reicht ihm Fiona ein Blatt Papier. Das macht sie bei solchen Fragen immer.

Es ist ihr ausgedruckter Lebenslauf.

Spart Zeit.

Der kleine Wasserkocher überfliegt begierig die Zeilen und ruft begeistert: "Ohhhh!! Sie waren als Entwicklerin bei Microsoft tätig!! War das spannend?"

Fiona verdreht die Augen. "Ja, manchmal."

Der kleine Wasserkocher holt tief Luft und sprudelt los: "Ich war da auch mal, auf einem Girls Day! Ich bin zwar kein Girl, aber weil ich auch kein Boy bin, durfte ich trotzdem hin! Ich habe den Verantwortlichen damals aber auch ziemlich lange in den Ohren gelegen!! Hab geblubbert und gespritzt, das klappt immer!!"

Der Wasserkocher ist so richtig dabei, sich in Rage zu reden.

Irgendwann haut Fiona einfach 'Batz' mit ihrer Pfote auf ihn drauf, ohne hinzuschauen, und er ist still.

Sie sind nun hoch über den Wolken und der Himmel ist strahlend blau.

Der Getränkewagen kommt vorbei, und bei einem kühlen Weisswein lässt Fiona die Gedanken schweifen und denkt an ihre überstürzte Abreise von daheim.

Wenn sie gestern Abend schon gewusst hätte, dass sie heute in einem Flieger nach Buenos Aires sitzen würde...

Denn die Ereignisse überschlugen sich.

Wie es der Zufall will, hat Fionas Familie über Generationen hinweg eine große Firma aufgebaut, die altmodische Telefone mit Wählscheibe herstellt.

Leider haben sie eine wichtige Entwicklung nicht mitbekommen.

Stur beharrten sie darauf, dass die Smartphones nur eine Modeerscheinung seien, und früher oder später die Menschen zu den alten Telefonen mit der Wählscheibe zurückkehren würden, was - bis jetzt- leider nie geschah.

"Antizyklisch, antizyklisch!! Wir müssen antizyklisch vorgehen!!" Waren die wiederkehrenden Worte des alten Großvaters.

Stattdessen sanken die Umsatzzahlen von Jahr zu Jahr, und nun sah man sich nicht mehr in der Lage, laufende Kosten zu begleichen.

Keiner wollte mehr antike Telefone mit Wählscheibe haben.

Außerdem verlangten die Kreditgeber umgehende Rückzahlungen. Der Großvater starb an Gram und Fiona handelte kühl und überlegt. 

Kurzerhand hatte sie das ganze Geld, was noch da war, in einen Koffer gestopft.

In einer fixen Presseerklärung verkündete sie, nun arm wie eine Kirchenmaus zu sein ("wobei die Kirchenmaus noch schlechter dran wäre, weil ich sie verspeist hätte".)

und war ins nächstbeste Taxi gehüpft. Die Gläubiger hinter sich her, die noch mit den Knöcheln wütend gegen die Fensterscheiben hämmerten, als sie mit quietschenden Reifen davon und zum Flughafen raste.

Kurze Zeit später saß sie im Flieger über irgendeinem Ozean.


1 comment


  • thomas von breitenbach

    wie gehts weiter?? arme Kirchenmaus…


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