Kurz darauf stehen sie vor einer Höhle, an einem Waldrand.
"Vanessa!!" Flötet Edgar und trippelt nervös von einem Bein aufs andere. Joao überlegt hektisch hin und her, lieber mittellos unter einer Brücke schlafen, als in der Sklaverei zu enden!! Gerade will er losrennen, da tritt auch schon eine dürre Frau aus der Höhle, ist in zwei schnellen Schritten bei ihm und hebt ihn hoch.
Sie mustert ihn von allen Seiten, drückt mal hier, drückt mal da. "Der ist ja ordentlich!" Sagt sie anerkennend, öffnet Joaos Schnabel und schaut hinein. Joao zappelt und windet sich. Die Frau hebt überraschend die Augenbrauen. "Ganz schön widerspenstig, der Kleine!" Sagt sie und packt noch fester zu. "Hier bitte!" Sie reicht Edgar einen Bündel Geldscheine, der gierig danach grabscht, sich umdreht, "ja dann Tschüss und viel Glück mit ihm!" Nuschelt und auf seinen Borsten davonwuschelt.
So kann man sich in den Menschen täuschen, denkt Joao verbittert und denkt an Edgars Körperwelle, die er so gelobt hatte, obwohl er sie eher komisch fand. Die Trauer und Einsamkeit übermannt ihn so heftig, so niederschmetternd, dass nicht mal mehr die Kraft zum Weinen hat. In der Sklaverei geendet, und dass, nachdem schon vor so vielen Jahren die Suffragetten erfolgreich für das Wasserkocherwahlrecht gekämpft hatten. Nach einer langen Zeit der Diskriminierung genoss er nun anderen Lebewesen ähnelnden Respekt, und nun sah er sich zurückversetzt ins Mittelalter, als er noch ein reiner Nutzgegenstand war, ohne Arbeitsrecht, Kündigungsschutz und Krankenversicherung.
Die Frau trägt ihn in die Höhle. Es ist wirklich eine Höhle. Der Boden und die Wände bestehen aus Erde, trotzdem ist sie geräumig und gemütlich eingerichtet. Ein Regal steht an der Wand, auf dem Küchengeschirr und Kochtöpfe stehen. Auf dem Boden liegt das Fell von einem Tiger, über dessen dicken Kopf die dünne Frau alle drei Minuten stolpert und irgendwelche Getränke verschüttet. Hoffentlich stolpert sie nicht, wenn sie mich in der Hand trägt, denkt er und wendet sich pikiert von der Frau ab, als ihr schon wieder spritzend ein Glas lila Fanta aus der Hand fällt.
Die Frau flucht leise vor sich hin und schenkt sich ein neues Glas Fanta ein. Widerliches Gesöff. Sie knallt Joao auf eine rüschenbesetzte Anrichte.Ihm schießt der Fall von Natascha Kampusch durch den Kopf, die tausend Jahre in einem Keller festgehalten wurde und die Kinder ihres Entführers gebar. Ob ihm das auch drohen wird? Mit dem frischen Glas Fanta in der Hand kommt die Frau auf ihn zu und mustert ihn mit in die Hüfte gestemmter Hand und schräggelegtem Kopf.
"Ich weiß nicht ganz, ob du mir so gefällst... " murmelt sie, nimmt einen Schluck Fanta, stellt das Glas ab, packt ihn und dreht ihn, sodass sein Schnabel in die andere Richtung zeigt. "Ja so ist es besser!" Sie geht zur Spüle und beginnt, an einem Nudelsieb herumzuschrubben. Der kleine Wasserkocher atmet ein paar mal tief durch und gewinnt langsam seine Fassung zurück. Jetzt heißt es, kühlen Kopf bewahren, um nicht den Rest seines Lebens unglücklich zu sein. Der erste Schritt ist, mit ihr zu reden, damit sie bemerkt, dass er ein eigenständig denkendes, intelligentes und zivilisiertes Wesen ist, UND NICHT NUR EIN GERÄT.
Er räuspert sich. "Entschuldigung." Überrascht wendet die Frau sich um und stellt den Wasserhahn ab. "Du kannst auch reden?" Fragt sie und ergänzt sehr schnell: "Das kann ich wirklich nicht gebrauchen. Du hältst schön deinen Mund." Und dreht sich wieder zum Waschbecken um. "Natürlich kann ich auch reden!" Antwortet der kleine Wasserkocher laut. "Denkst du etwa, du bist die einzige die Reden kann?" "Pscht!!" Macht sie nur und schrubbt wütend das Nudelsieb.
Der kleine Wasserkocher räuspert sich erneut. "Ich wollte nur allerhöflichst darauf aufmerksam machen, dass ich ein freies Wesen bin und niemandem gehöre. Ich entscheide mich höchstens aus freien Stücken dazu, eine Weile bei jemandem zu bleiben und der Person das Wasser zu kochen. Wenn wir uns darauf einigen können, dass dieses Verhältnis hier auf Basis der Freiwilligkeit geschieht und jederzeit von mir beendet werden kann, erkläre ich mich bereit, diese Dienstleistung für Sie eine Weile zu übernehmen."
Die Frau pfeffert das Nudelsieb beiseite, dreht sich um und blickt ihn zornig an, die Hände wieder in die Hüften gestemmt, ihr Lieblingsmove. Sie sagt drohend: "ich habe gerade sehr viel Geld für dich bezahlt, das habe ich nicht getan, damit du gleich wieder gehst. Dich sollen irgendwann unsere Enkel und Urenkel erben. Du wirst gefälligst genau da, wo du gerade bist, bleiben. Außerdem weiß ich nicht, wovon du redest, wenn du sagst: 'Wasser kochen', das mache ich ja wohl auf meinem Herd. Wir brauchen dich lediglich als Kanne. Und jetzt halt den Rand." Der kleine Wasserkocher fühlt sich verletzt, machtlos und entehrt. Er will gerade widersprechen, als sie von draußen Schritte näher kommen hören und die Haustür aufgestoßen wird.
]]>Sie überqueren die Straße und betreten "McFit - 9,99€ für drei Monate, solange der Vorrat reicht" "Was denn für ein Vorrat" murmelt Joao verwundert, als sie auf die Rezeption zu marschieren.
"Hallo Guten Tag!" Sagt Edgar selbstsicher zu der blonden, sportlich aussehenden Rezeptionsdame. "Der junge Herr hier würde gerne ein Probetraining absolvieren, geht das?" "Sichi!" Sagt die blonde Frau beschwingt während sie mit offenem Mund auf ihrem Handy herumscrollt. "Handtuch?" Fragt sie. Joao nickt leicht verunsichert, er war noch nie in einem Fitnessstudio gewesen.
Um ihn herum loggen sich muskulöse mit Sporttaschen behängte Orang Utahs ins Studio ein, gehen durch ein Drehkreuz und stapfen links eine Treppe zu den Umkleiden hoch. Auf der anderen Seite ist alles voll mit Laufbändern, auf denen sich pummelige Pandas abstrampeln. Joao flüstert: "Ich wusste nicht, dass hier so viele Tiere sind." Edgar antwortet laut abschätzig: "Die haben hier eigentlich auch nichts verloren" und rümpft die Nase.
Kurz darauf stehen sie in kurzen Hosen (Edgar hat Joao eine von seinen geliehen) vor einer Maschine für die Brustmuskeln. Ein Gorilla sitzt breitbeinig auf einer Bank und drückt zwei Griffe von außen gegeneinander. Die Adern auf seiner Stirn und an seinem Hals treten hervor. Joao starrt ihn mit offenem Mund an. Edgar, der das Szenario natürlich schon kennt, will ihn genervt weiterzerren, aber Joao ist wie festgewachsen. Der Gorilla stiert ihn böse an, während er die Griffe erneut zusammenpresst und aufbrüllt. Schweißperlen spritzen von seiner Stirn. Joao zuckt zusammen. Er ist wie hypnotisiert.
Edgar ist jetzt wirklich sauer und sagt sehr bestimmt: "Jetzt lass Maurizius seine Übungen machen und KOMM!" Joao taumelt kurz und lässt sich dann von Edgar weiterziehen.
Er hechelt atemlos: "Was?! Du kennst den??" Edgar verdreht die Augen:" JA das ist Maurizius. Den kenn ich schon seit dem ersten Tag. Der ist Kindergärtner und sehr nett, er hat mir damals gezeigt, wie ich effektiver meinen unteren Rücken trainieren kann."
"Sah gar nicht so nett aus" nuschelt Joao ungläubig und wirft einen verstohlenen Blick zurück über die Schulter, zu dem bösen Gorilla auf der Pressmaschine. "Was willst du denn trainieren?" Fragt Edgar. "Was sind deine Ziele? Willst du deine Kondition verbessern, Gewicht reduzieren oder an Kraft zulegen? Darüber solltest du dir Gedanken machen!" Joao runzelt die Stirn. "Joooa ehm." Er schaut an seiner gewölbten metallenen Hülle hinab. "Vielleicht Gewicht reduzieren." Traurig fügt er leise hinzu: "Damit ich auch mal angeschaut werde, nicht immer nur Roberto." "Wer ist denn Roberto?" Fragt Edgar und fügt, ohne eine Antwort abzuwarten, hinzu: "Also ich hab mir letztens eine Stilzerrung zugezogen und kann deshalb nur meine Borsten trainieren. Wenn du mich suchst findest du mich also da vorne auf den Medizinbällen OKAY viel Spaß bis dann." Er wuselt davon.
Joao steht allein perplex in der Mitte des Fitnessstudios. Apologize eh eh eh schallt aus den Boxen. Das Lied ist doch schon ewig alt. Da sieht er einen weiß gekleideten Trainer herumirren. Er zupft ihn am Ärmel und fragt: "Wo soll ich denn hin, wenn ich Gewicht verlieren will?" Der Trainer hat einen leicht gehetzten Gesichtsausdruck und antwortet: "Bauch Beine Po fängt gerade an, du schaffst es noch, wenn du dich beeilst, einfach die Treppe hoch." Er rennt davon. Joao zieht die Augenbrauen hoch und denkt sich, wenn er das sagt, und hievt sich zögernd die Treppe hinauf.
Weil er so klein ist, muss er sich immer mit einem Fuß auf die nächsthöhere Treppenstufe ziehen und ist ein wenig langsam. Leute hasten an ihm vorbei, hoch und runter und würdigen ihn keines Blickes. Eine Weile später ist er oben und sieht schon durch eine geöffnete Tür einen dunklen Raum, aus dem laute Musik wummert und eine mikrophonverstärkte weibliche Stimme herauskreischt: "You can do iiiiit"
Ermutigt läuft Joao in den dunklen Raum. Ca 15 Leute räkeln sich auf Yogamatten. Ihre Gesichter sind rot und schweißüberströmt. Eine Frau mit grellpinkem Lippenstift und Pferdeschwanz in grellpinkem Sport BH reckt auf einer kleinen Bühne an der Stirnseite des Raumes den Unterbauch in die Höhe. Alle ahmen sie zitternd nach. Joao fragt sich zögerlich, ob jetzt von ihm erwartet wird, das auch zu machen. Er erblickt hinten an der Wand aufgestapelte Yogamatten und schnappt sich eine, legt sie auf den Boden und reckt ebenfalls seinen Unterbauch in die Höhe, was nicht so leicht ist, bei seiner Statur. Er keucht angestrengt. Heißer Dampf steigt von ihm auf. "Noch 10 Sekundeeeeeeen" feuert die Trainerin sie an. Eine Frau neben Joao stöhnt "Mein Herz" und bricht zusammen. Dampfwolken steigen aus Joaos Kopf und sammeln sich an der Decke, Wasser läuft ihm in kleinen Bächen die metallene Hülle hinab, um ihn herum bildet sich eine Pfütze. Er keucht angestrengt und mit einem lauten Pfeifton bricht er auch zusammen. Als ob nichts gewesen wäre, ruft die Fitnesstrainerin "..zum warm werden- Hampelmann!!" Alle rappeln sich auf und hüpfen auf und ab.
So geht es weiter, alle Übungen sind für den kleinen Wasserkocher aufgrund seiner Statur viel viel anstrengender als für die anderen, und so lässt sich nicht verhindern, dass sich die Dampfschaden ausbreiten und bald die Raumtemperatur aufs doppelte gestiegen ist. "Feuer!!" Ruft irgendeine Dramaqueen. Ein Mann kreischt.
"Neinneinnein!!!" versucht Joao zu beschwichtigen, aber ihn hört keiner, und es ist zu spät. Ihre Handtücher umklammernd rennen die Menschen aus dem Raum, die Trainerin stöpselt hektisch die Musikbox aus der Wand, klemmt sie sich unter den Arm und hastet ebenfalls aus dem Raum. Der kleine Wasserkocher ist nun alleine. Er seufzt. Ein guter erster Eindruck ist was anderes. Und es ist immer noch sein erster Tag in einem komplett fremden, unbekanntem Land, in dem er niemandem kennt. Wo er die Nacht verbringen soll, weiß er auch noch nicht.
Traurig rollt er sich vom Boden hoch und richtet sich auf. Den Stecker hinter sicher herschleifend latscht er mit gesenktem Kopf Richtung Tür, wird aber von der Fitnesstrainerin in ihrem pinken Sport BH umgeworfen, die, mit einem Feuerlöscher bewaffnet in den Raum stürmt und mit irrem Blick wild anfängt zu sprühen. "Wo ist das Feuer??" Schreit sie und sprüht und sprüht. Joao räuspert sich, und sagt:" Jetzt beruhigen Sie sich doch, calma menina, hier gibt es gar kein Feuer!! Das ist doch nur mein Wasserdampf." Aber natürlich hört sie ihm nicht zu. Sie spritzt und sprüht und macht dabei ganz komische Geräusche.
Unauffällig bewegt er sich leicht trippelnd rückwärts Richtung Ausgang. Dampf strömt ihm immer noch aus dem Kopf, aber nicht mehr so viel wie vorher. Kurz darauf steht er draußen, dreht sich um und blickt in eine Schar angstgeweiteter Augen.
Jemand flüstert ihm mit vorgehaltener Hand panisch zu: "Was macht sie dadrin!!" Man hört neben der Spritzgeräusche laut und deutlich merkwürdige Grunzlaute.
Joao sagt, er glaube, sie habe einen Komplex. Der andere nickt sinnierend und murmelt, das muss es sein, ja, das muss es sein, ein Komplex, runzelt die Stirn und flüstert das gleiche seinem Nachbarn ins Ohr, der die Botschaft weitergibt.Immer mehr Leute fangen an, die Stirn zu runzeln, zu nicken und dabei zu murmeln: "Ein Komplex, ja, das muss es sein, ein Komplex."
Mittlerweile hat sich das gesamte Fitnessstudio vor dem Raum versammelt. Die ganz Mutigen stehen gehäuft um die geöffnete Tür herum, wie Insekten am Eingang zum Bau und äugen vorsichtig hinein. Atemlos beobachten sie, wie die Trainerin den Feuerlöscher wild im Raum herumschwenkt, ihn gegen die Wand krachen lässt, dabei brüllt und juchzt und grunzt und alles vollspritzt. Sie scheint ein paar lange gehegte Blockaden zu lösen, vielleicht sollte man ihr das lassen.
Edgar, der Besen, drängt sich durch die Menge. "Was machst du denn da!!!" Ruft er aufgebracht Joao zu, als ob er Schuld an dem ganzen Fiasko sei. Joao stottert verlegen, dass er eigentlich nur Gewicht reduzieren wollte, aber dass dann alles irgendwie eskaliert sei. Er verschränkt die Arme hinter dem Rücken und wippt mit den Fußballen auf und ab. Edgar betrachtet ihn mit bösem Blick. "Dass die Situation eskaliert ist, kann ich sehen!!!" Der unheimliche Gorilla, der vorhin mit herausspringenden Stirnadern Gewichte zusammengedrückt hatte, taucht auch an ihrer Seite auf. Er knackt mit seinen Gelenken und grummelt: "Ey Edgar, Soll ich diese kleine aufmüpfige Kanne zerquetschen? Mach ich mit links..." Er funkelt Joao zornig an und ballt die Faust. Bibbernd vor Angst huscht Joao davon und versteckt sich hinter einer Säule, hinter der er zaghaft hervorlugt, um zu sehen, was vor sich geht.
Da kommt die Fitnesstrainerin raus. Sie ist vollkommen mit Schaum durchnässt und eingesprüht, das Haar hängt ihr nass herunter und Wasser läuft an ihrem Oberkörper hinab. Alle Männer glotzen. Sie wischt sich beiläufig über die Stirn und sagt: "Hui, das hat gut getan. Jetzt muss ich mein kleines Mädchen vom Kindergarten abholen, kann vielleicht ab hier jemand übernehmen? Glaube das Feuer ist aber auch so gut wie aus." Und mit diesen Worten drängelt sie sich durch die Menge und ist verschwunden.
Vorsichtig tasten sich die besagten ganz Mutigen in den Raum und sehen sich nach etwaigen kleinen Flämmchen um, aber da ist nichts zu sehen. "Entwarnung!" Ruft irgendjemand, und weil es nichts weiter zu gucken gibt, sind alle bald wieder mit ihren Oberschenkeln und Bäuchen und Bizepsen beschäftigt.
Edgar und Joao trainieren noch ein bisschen ihre Waden und beschließen dann, dass es Zeit wird, zu gehen. Auf dem Weg nach draußen winkt die blonde Rezeptionistin Joao beiseite und versucht ihm, gemeinsam mit einem hünenhaften, bärtigen Troll, eine Mitgliedschaft zu verkaufen, außerdem die Plastiktrinkflasche mit Logo des Studios, eine Getränkeflat und einen Rieseneimer voll Whey Protein für nur 1000 Euro.
Während Joao hektisch überlegt, wie er das nötige Geld beschaffen soll und schon beinahe alles unterschrieben hat, zerrt Edgar ihn aus dem Studio. "In Euros wird hier sowieso schonmal nichts gemacht, hast du mich verstanden?!"
"Edgar leih mir doch was" bettelt Joao ihn an und blickt begehrlich ins Fitnessstudio zurück, wo die Rezeptionistin verführerisch mit der Plastikflasche wedelt.
"Neinneinnein!" Sagt Edgar nur und zerrt Joao fort, der betrübt seufzt, dass er sich immer alles andrehen lässt, und dass nein sagen sicher manchmal auch gar nicht so verkehrt ist. Schweigend gehen die beiden zusammen die Straße entlang. "Hätte ich Geld, würde ich dir einen Prozentsatz anbieten, von dem Geld, welches ich spare, weil ich von dir davon abgehalten werde, irgendwelchen Kram zu kaufen. Wir könnten gemeinsam reich werden, nur müsste ich dazu schon reich sein." Nuschelt Joao bedrückt.
"Tja!" Macht Edgar und wirft die nicht vorhandenen Arme in die Luft. "Ist ja wohl müßig darüber zu sprechen!" Er marschiert frustriert einen Schritt schneller.
"Wohin gehen wir jetzt?" Fragt Joao und bemüht sich, Schritt zu halten. Edgar räuspert sich. "Ich - äh- konnte einen Deal aushandeln. Wahrscheinlich wird es dir nicht gefallen, da Maurizius jetzt ja auch nicht allzu nett zu dir war, aber du hast ihn auch ziemlich angestarrt, muss man sagen. Also, Maurizius ist wirklich nicht so unheimlich wie er aussieht, wie gesagt, er ist Kindergärtner. Jedenfalls - ist ihm seine Kanne vorgestern kaputt gegangen. Nun ja, jedenfalls sagt er, er hätte Verwendung für dich und hat sich bereit erklärt, mich - nun ja- gut zu bezahlen, wenn ich dich ihm überlasse, und, nun ja, nicht selbst behalte, und er will dich - ehm- auch nicht zerquetschen. Wie gesagt, er hat ja auch Verwendung für dich. Du verstehst sicher, dass ich auch über die Runden kommen muss. Und da du eh gerade nicht weißt, wo du hinsollst..." er läuft noch einen Schritt schneller. Joao fällt nun in den Laufschritt, um nicht zurückzubleiben. "Was??!" Schnauft er, er kann es nicht fassen. "Du hast mich verkauft??! Ich gehöre dir doch nicht!!!!" Eine Welle der Verzweiflung übermannt ihn.
"Du- äähh- kannst ja gehen, wenn es dir dort nicht gefällt." Antwortet Edgar. Was natürlich eine Lüge ist. Einmal gefangen, immer gefangen.
Weiter gehts 29.01. 12:00
]]>Frustriert beginnt Joao sich zu langweilen und weiß nicht so recht, was er nun tun soll.
Er könnte sich mal mit den anderen Küchengeräten austauschen, ob es Möglichkeiten für ein kurzfristiges Anstellungsverhältnis gibt, oder so. Er rutscht von seinem Stuhl hinunter und läuft ohne weitere Erklärungen zurück ins Haus und zum Kühlschrank, der träge die brasilianische Nationalhymne vor sich hinsummt.
"Hey du!" Sagt Joao forsch und gibt ihm einen Klaps. Erschrocken zuckt der Kühlschrank zusammen. "Was willst du denn!!" Ruft er irritiert, "Schlag mich doch nicht!"
"Sorry! Aber Hey - ich brauche deine Hilfe. Ich bin ein Wasserkocher und hier gestrandet. Ich weiß nicht wo ich hin soll."
Der Kühlschrank gähnt. "Da kann ich dir auch nicht helfen. Hier ist kein Platz, tut mir Leid." Und wendet sich ab.
Das Gesicht des kleinen Wasserkochers verzerrt sich zu einer verzweifelten Fratze, wie von einem Baby, Tränen quellen aus seinen zusammengekniffenen Augen, er fühlt sich jetzt wirklich heimatlos und alleine. Er schluchzt: "Aber wo soll ich denn hin!!" Und sehnt sich verzweifelt nach Roberto und seinem Piratenschiff zurück.
Da meldet sich das Waschbecken zu Wort. Es gurgelt: "Nun mal mit der Ruhe. Hier in Brasilien wird es schwierig für dich werden. Das weiß ich aus Erfahrung, ich musste mich erst lange unverzichtbar machen, bevor ich auch nur ansatzweise als die, die ich nunmal bin, akzeptiert wurde. Das bedeutet: Arbeiten. Viele, viele Jahre umsonst. Das ist nicht für jedermann. Du hast das Problem, dass dich hier niemand kennt. Und was man nicht kennt, will man nicht. Hast du an Georg gesehen"- der Kühlschrank schnauft protestierend- "du könntest also erstmal versuchen, etwas zu sein, was man hier kennt, damit man sich an dich gewöhnen kann- du könntest zum Beispiel als Kanne herhalten. Der Kühlschrank war anfangs auch nur ein Schrank. Und ich eine vertiefte Ablagefläche. Und mit der Zeit zeigst du denen, was du wirklich draufhast. Und irgendwann können sie nicht mehr auf dich verzichten."
"Als Kanne!!!" kreischt der kleine Wasserkocher, Tränen spritzen ihm überall hin, er hat sich noch nie so entwürdigt gefühlt. Als würde man ihn seiner Männlichkeit berauben. Das Waschbecken verdreht in einer gleichgültigen Geste den Wasserhahn und sagt erfreut: "Mehr kann ich dir auch nicht helfen."
Da murmelt ein an die Wand gelehnter fusseliger, staubiger Besen heiser: "Argentinien, mein Junge. ich sag nur, Argentinien. Da wird man dich zu schätzen wissen. Die schlürfen den ganzen Tag Tee, die sind süchtig danach, die werden süchtig nach DIR sein, ich weiß das noch aus Erzählungen meiner Großmutter. Man wird dich mit Kusshand aufnehmen und auf einer Sänfte durch die Stadt tragen, wie damals den Herd, als er die Gnade des Königs erlangte, nachdem er ihm 1001 Nacht lang Tiefkühlpizzen gebacken hatte - die der König selbstverständlich zuvor gezwungen zwar zu lutschen."
Der Kühlschrank Georg verdreht die Augen und sagt genervt: "Immer die gleichen Geschichten." Das Waschbecken rümpft den Wasserhahn wie einen Elefantenrüssel. Der kleine Wasserkocher schluckt. Er atmet immer noch heftig ein und aus, beruhigt sich aber langsam. Seine metallene Hülle ist tränennass.
"Aber- aber- meinst du nicht, dass es ein Versuch wert wäre, die Brasilianer von meinen Fähigkeiten zu überzeugen und ihnen zu imponieren? Ich könnte ihr Leben schließlich um einiges einfacher machen!" Der Besen macht: "hhhmm" und wiegt sein Stilende bedächtig hin und her. "Einen Versuch ist es vielleicht wert. Aber schwierig. Die Frage ist jetzt natürlich, aus welchem Holz du geschnitzt bist."
Der kleine Wasserkocher schluckt. Zögernd sagt er: "Naja... aus Metall! Das ist härter als Holz." Der Besen schaut ihn nachdenklich an, kneift die Augen zusammen und nickt sinnierend. "Na gut... dann versuch dein Glück, mein Junge, versuch dein Glück." Wichtigtuerisch fügt er hinzu: "In the end we only regret the chances we didn't take."
Das Waschbecken gurgelt verächtlich im Hintergrund: "Halt doch mal dein Maul, Edgar, du bist nicht zum Aushalten." Der Kühlschrank knallt seine Tür auf und zu, um Aufmerksamkeit zu kriegen, und sagt dann laut: "Könnt ihr mal ruhig sein, ich versuche hier zu schlafen!" "Wieso willst du denn um diese Uhrzeit schlafen, Georg? Bist du krank?" Fragt Edgar, der Besen, ehrlich besorgt. Der Kühlschrank und das Waschbecken verdrehen genervt ihre Hähne und Knöpfe und hüllen sich in Schweigen.
Der Besen schürzt die Lippen und murmelt etwas niedergeschlagen: "Du siehst, man gibt hier nicht so viel auf mein Wort. Dabei habe ich die Universität absolviert, ob du es glaubst oder nicht, ich bin ein Akademiker und manchmal gehe ich auch ins Fitnessstudio!" Der kleine Wasserkocher versteht zwar nicht, was das eine mit dem anderen zu tun hat, aber in seinem kleinen Erbsenhirn hat sich definitiv festgesetzt, dass es zu seinem jetzigen Zeitpunkt nicht verkehrt sein kann, Verbündete zu finden, deshalb bemüht er sich, freundlich zu Edgar, dem Besen, zu sein. Ausgestoßene haben ein Ohr füreinander.
Also schlägt er vor: "Wenn du möchtest, können wir mal zusammen ins Fitnessstudio gehen. Mir liegt auch viel an einer guten Figur." Edgar strahlt. "Gerne!" Jauchzt er "von mir aus gleich jetzt!" und macht übermütige Körperwellen mit seinem Stab. "Ganz schön beweglich!" Murmelt Joao anerkennend und mustert den Besen von oben bis unten, der vor Stolz erglüht und sich krampfhaft bemüht, noch bessere Körperwellen zu machen.
Er stiert Joao erwartungsvoll an. Langsam wird es unangenehm und die Sekunden ziehen sich in die Länge.
Joao räuspert sich und lächelt: "Voll gut Edgar, wollen wir los?"
Fortsetzung morgen 07:00
]]>Dies ist die Vorgeschichte von Joao, dem kleinen Wasserkocher.
Er schlägt die Augen auf. Er lebt. Um ihn herum rauscht das Meer. Feiner Sand knirscht unter seiner metallenen Hülle, als er sich langsam aufrichtet und vorsichtig den Kopf in alle Richtungen dreht. Strand, Palmen, endloses blau und eine komische Statue ist alles, was er sieht. Er richtet sich auf und geht zaghaft ein paar Schritte. Alles tut weh, aber funktioniert- und langsam kehrt auch die Erinnerung zurück.
Er war auf einem Piratenschiff zuständig für das Wasserkochen gewesen. Denn auch auf dem abgefucktesten Piratenschiff will man zwischendurch mal einen ordentlichen Tee. Dann waren sie in einen Kampf geraten, die Ereignisse hatten sich zugespitzt und Joao war in hohem Bogen über Bord geflogen. Er musste das Bewusstsein verloren haben, denn als nächstes war er in flimmernder Hitze hier an diesem unbekannten Strand aufgewacht, ohne Roberto, seinem engsten Kameraden, dem Kombüsenkoch.
Joao guckt sich um. Überall liegen eingeölte Menschen in Liegestühlen unter blauen Sonnenschirmen. Kinder spielen im Sand, die Erwachsenen trinken irgendwas undefinierbares aus einer kleinen gelben Dose, auf der "Skol" steht und aus verschiedenen Ecken schallt wummernde Musik über den Sand. Dunkle, muskulöse Männer schießen sich gegenseitig einen Ball über ein Netz zu und rennen hektisch hin und her. Dünne Jungs tragen farbenfrohe Cocktails herum und kassieren dafür Geld.
Der kleine Wasserkocher ist ganz benommen. Keiner scheint auf ihn zu achten, warum auch. Er tappst langsam durch den Sand, zwischen den Schirmen hindurch auf eine Steintreppe zu, die zu einer höher liegenden Straße führt.Er schleppt sich die Stufen hinauf. Es ist ziemlich heiß und er beschließt, an der erstbesten Tür zu klingeln. Vollkommen mittellos wie er ist, wird man ihm bestimmt helfen. Zuversichtlich überquert er die Straße.
Er klopft an eine rotbraune Tür von einem etwas eingedellt wirkenden kleinen Häusschen.
Ein hutzeliges Männchen in Unterhose macht ihm die Tür auf. Es ist ziemlich dürr und ausgezerrt, nur eine ungesund wirkende Kugel schmückt seinen Bauch unter den ansonsten durchscheinenden Rippen. Als er den kleinen Wasserkocher sieht, breitet sich ein strahlendes, zahnloses Grinsen in seinem ausgemerkelten Gesicht aus. Er trägt in der einen Hand ein kleines, beschlagenes Glas mit einer gelben, kohlensäurehaltigen Flüssigkeit, stürzt es aber nun in einem Zug hinunter. "Aaahh!" macht er. "Cerveja gelada! Eisgekültes Bier! Möchtest du?"
Joao zuckt mit den Schultern. "Warum nicht!" Antwortet er, glücklich, so nett aufgenommen zu werden. Glücklicherweise versteht und spricht er die Sprache einwandfrei- es ist Portugiesisch. Seitdem er als kleiner Kocher mal in einen Zaubertrank gefallen war, beherrscht er alle Sprachen auf exakt B2 Niveau.
Verlegen grinst Joao zurück und tritt mutig über die Türschwelle. "Komm rein komm rein" ermuntert ihn der Mann zahnlos lachend. Laute Bässe einer unbekannten Musik wummern ihm entgegen. Der zahnlos lachende Mann federt ihm Takt mit den Knien und schwenkt die dürre Hüfte in der Unterhose, das nun leere Glas in der Hand kreisend.
Sie stehen in einem kleinen, im Kontrast zur grellen Sonne draussen dunklen, fuseligen Raum mit zwei gelben Plastikstühlen, einem kleinen Kühlschrank, einer nackten Glühbirne an der Decke und kahlen Wänden und Fußboden. Gemütlich ist was anderes. Außerdem steht ein fetter Verstärker in der Ecke des Raumes, aus dem die Musik herausscheppert. Auf der anderen Seite des Raumes führt eine Tür in ein anderes Zimmer, in dem man aber nichts erkennen kann.
Der hutzelige Mann wackelt zum Kühlschrank, öffnet ihn und holt eine große Flasche Bier, auf der "Brahma" steht, heraus. Er füllt ihre Gläser mit einem großen Schlenker auf und singt dabei zu der Musik: "Salvadoooor Bahia, Salvador meu amor.." Joe lächelt ihn breit an und versucht, im Takt der Musik irgendwie zu ruckeln. "Samba, Samba!" Ruft der Mann freudestrahlend und versucht, ihm die Sambaschritte beizubringen. Kondensationswasser läuft an Joaos Hülle hinab, als er angestrengt versucht, die schnellen Schritte nachzuahmen. "Komm mit, komm mit" sagt der Mann und winkt ihn hinter sich her, er hutzelt durch den Raum, mit seinem kleinen buckligen Rücken vor Joao herwackelnd, durch die gegenüberliegende Tür, durch ein anderes, dunkles Zimmer mit einem breiten Bett ohne Bettlaken und durch eine Tür hinaus, die auf einen breiten Treppenabsatz hinausführt.
In der gleißenden Sonne sitzt eine korpulente Frau auf einem Plastikstuhl, die Beine ausgestreckt, die dicken Schenkel wie Fladen vor sich ausgebreitet, neben ihr auf dem Treppenabsatz ein gelbes Plastiktischchen. Sie lächelt Joao ebenfalls breit an, als sei es überhaupt keine Überraschung, einen Wasserkocher an ihrer Teegesellschaft teilhaben zu lassen. Neben ihr führt eine unregelmäßige Treppe zwischen abenteuerlich aufeinandergeschichteten Häuserwänden aus roten Ziegeln hinab, Katzen, Hunde und Hühner laufen herum, Musik schallt aus den Häusern und Wäscheleinen sind dazwischen aufgespannt. In den geöffneten Türen sitzen die Leute und trinken Bier aus den gleichen kleinen Gläsern, andere stehen in Grüppchen zusammen und wippen in den Kniekehlen zum Takt der Musik, ein Ball fliegt herum. Joao ist ganz überwältigt von den ganzen Eindrücken und drückt sich verlegen an der Wand herum.
Der kleine dürre Mann hat ein Stühlchen für Joao aufgetrieben, bedeutet ihm, sich hinzusetzen und schenkt ihm direkt Bier nach. "Obrigado" bedankt sich Joao artig, dem schon leicht duselig ist, obwohl er Alkohol eigentlich gewohnt ist, da er auf dem Piratenschiff ständig Rum trinken musste. "Woher kommst du?" fragt die Frau neugierig und trinkt einen großen Schluck. "Ich weiß nicht genau" antwortet Joao wahrheitsgemäß- ist er doch, seitdem er sich erinnern kann, mit Roberto, dem Kombüsenkoch gemeinsam auf dem Piratenschiff gewesen. "Aber ich bin ein Wasserkocher!" Verkündet er stolz.
Verwirren zeigt sich auf den Gesichtern der beiden. "Ein was?" Kichert der Mann und beginnt munter zu der Musik auf den Tisch zu klopfen. "Ein Wasserkocher!!" Wiederholt Joao ungeduldig. Die beiden tauschen verständnislose Blicke aus und zucken mit den Schultern. "Oiii Mariella tudo bom!!" Brüllt der Mann nun zu einer buckligen Frau herüber, die mit einem Besen aus dem gegenüberliegenden Haus erschienen ist und grimmig Hühnermist die Treppe runterfegt.
Joao ist verstimmt. Er hatte mehr Begeisterung erwartet. Kurz entschlossen schnappt er sich sein Glas Bier, gießt es sich in den Rachen und kocht es auf. Während das Bier langsam anfängt zu brodeln und zu blubbern, lehnt er sich selbstzufrieden zurück. Als das Bier in ihm drin blubbert und spritzt, kippt er es aus seinem Schnabel in sein Glas zurück, wo es nun vor sich hindampft in der glühenden Sonne. Die korpulente Frau und das dürre Männchen haben den Blick perplex auf das Glas geheftet- "vc e loco - du bist verrückt" sagt der Mann kopfschüttelnd, das dampfende Bier anstarrend. Die Frau fängt dröhnend an zu lachen. "Olha ele, Mariella!! - Schau ihn an!!" Ruft sie der buckligen Frau zu, die jetzt mit konzentrierter Miene dabei ist, auf der saubergefegten Fläche frisch gewaschene Socken zu sortieren.
Verwirrt schaut die Frau hoch: "Que! Was!" "Mach nochmal!!" Fordert die Frau Joao auf, und er kippt sich kurzerhand ihr Glas Bier hinter die Binde. Jetzt doch neugierig schlurft das Socken sortierende Fräulein zu ihnen herüber und murmelt ungläubig: "Que isso!" Kurze Zeit später haben sich drei Teenager mit verschränkten Armen und skeptischen Minen zu ihnen gesellt.
Nach einer Weile herrscht ein Riesengedränge um ihren Tisch. Der hutzelige Mann hat bereits eine Schale für Münzen aufgestellt, in die es munter reinregnet. Der ganze Tisch steht voll dampfender Biergläser. Joao genießt die Aufmerksamkeit, und für den extra Kick hängt er nun Teebeutel in die kochenden Gläser und ruft: "Bedient euch, Leute!!" Das lassen sie sich nicht zwei mal sagen und nippen mit kurioser Mine an ihren Biertees. So gut scheint er ihnen allerdings nicht zu schmecken, außerdem ist es heiß und sie wollen ihr Bier "gelada".
Schon bald ist der anfängliche Hype verflogen und Joao sitzt alleine an dem Tisch voll dampfender Biergläser mit dem Pärchen, welches nun in ein angeregtes Gespräch über den kleinen Sohn der Nachbarn vertieft sind, der von einem Hund gebissen wurde.
Fortsetzung: morgen 07:00
]]>"Äääähh was?" Stottert der Wachmann. "Ich - ich kann jetzt nicht schwimmen, also, ich hab ja auch keine Badehose!"
"Ach was! Badehose!" Lacht das Mädchen verächtlich.
"Los komm. Aber bild dir jetzt bloß nicht ein, dass du was mit mir haben könntest, selbst wenn wir nackt baden, ja, ich hab da nämlich gar kein Bock drauf. Diese Zweisamkeit mit Mogli hat mich ganz tot gemacht. Muss mal wieder atmen und so. Also kommst du?"
"Ähh - ja!" Ruft der Wachmann, komplett aus dem Gleichgewicht gebracht durch ihre forsche Art. Er kann mit sowas überhaupt nicht umgehen. "Ich hab aber einen kleinen Speckbauch" murmelt er verunsichert und blickt zu dem Mädchen hoch.
"Ist mir doch egal, jetzt komm!!!" Sie packt den Krug und stellt ihn wieder auf ihren Kopf.
Der Wachmann rappelt sich auf.
Aufrecht marschiert sie vorweg.
Der Wachmann braucht einen kurzen Moment, um die Tante sicher durch die schmale Stalltür zu manövrieren, und muss dann ein bisschen rennen, um das Mädchen wieder einzuholen, die bereits über eine dunkle, taufeuchte Wiese vorweg Richtung Wald schreitet.
"Da gehen wir rein??" Keucht der Wachmann, als er den Abstand aufgeholt hat.
"Yes." Sie nickt.
Die Tante fliegt hoch über ihnen und beschwert sich schrill über die Kälte, was durchaus nachvollziehbar ist.
Kurze Zeit später sind sie an einem moosgrünen Tümpel.
"Da willst du rein??" Fragt der Wachmann ungläubig.
Das Mädchen hört gar nicht zu und ist schon dabei, sich die Kleider vom Leib zu reißen.
Der Wachmann schaut höflich weg.
Die Tante kreist über den Baumwipfeln und macht den Krähen Konkurrenz, die bisher noch respektvollen Abstand halten, da man die Tante in ihrem Territorium noch nicht ganz als Freund oder Feind einordnen kann. Der Begriff "Neutralität" ist ihnen nicht bekannt. Krähe 1 sagt zu Krähe 2: "Wann hacken wir ihr die Augen aus?" Krähe 2 sagt zu Krähe 1: "Jetzt noch nicht, vielleicht gleich."
Komplett nackt tastet sich das Mädchen vorsichtig in den grünen Tümpel hinein.
So kühn, einfach reinzuspringen, ist sie dann doch nicht.
Der Wachmann wagt einen kurzen Blick auf ihren blanken Popó, schaut aber schnell wieder weg.
Dann ist sie drin.
Sie kreischt: "Los komm rein DAS WASSER IST HERRLICH", aber der Wachmann ist hin- und hergerissen.
Skeptisch betrachtet er den moosigen, dunklen Tümpel, über dem Mücken tanzen. Soll er einmal in seinem Leben etwas wagen?
]]>Ihre Silhouette zeichnet sich dunkel vor dem weißlich schimmernden Mondlicht draußen ab.
Es ist ein kleines, schmales Mädchen, das auf dem Kopf so etwas wie einen Tonkrug balanciert.
Der Wachmann lächelt ihr vorsichtig zu.
Ganz langsam kommt sie näher.
Fast elfenhaft schwebt sie auf ihn zu, den Tonkrug auf dem Kopf.
Der Wachmann schaut mit glasigem Blick zu ihr auf.
"Wer" - er räuspert sich "Wer bist du?" Sie lächelt und antwortet: "Ich bin das Mädchen, dem Mogli - der Dschungeljunge, du weißt, oder - am Ende hinterhergerannt ist. Weil ich das erste Mädchen war, das er je zu Gesicht bekommen hat, Pff. Wir haben es eine Weile versucht, aber seine Essgewohnheiten sind mir einfach immer noch zu wölfisch, das ist ja ekelhaft. So jemanden kann ich auf Dauer nicht attraktiv finden. Ich will mich trennen, habe den Schritt aber noch nicht gemacht. Wir hatten gerade wieder einen Streit, er will ran, ich aber nicht. Deshalb habe ich jetzt gerade einen Nachtspaziergang unternommen und dann diesen Walgesang gehört, der aus dieser Hütte hier schallte. Habt ihr hier Wale?"
Ohne viel Federlesen setzt sie sich neben den Wachmann, der sie immer noch ganz glasig anblickt, und versucht, ihren Worten zu folgen.
Er räuspert sich erneut und murmelt dann entschuldigend: "Es - also - chrm - es tut mir Leid, ich bin etwas langsam im Kopf, aber - Was? Du bist die Frau von Mogli? Von Mogli hat man doch jetzt wirklich schon lange nichts mehr gehört! Er war doch letztens wegen Steuerhinterziehung vor Gericht.." Das Mädchen winkt ab. "Nein das war- " "aahhh" quiekt da die Tante, bedrohlich schnell am sinken. Der Wachmann erschrickt und presst den Knopf auf der Fernbedienung mal wieder viel zu stark, so, dass sie an die Decke prallt, wie ein aus der Flasche geploppter Korken.
"Was war das denn!!!" Ruft das Mädchen entgeistert. Der Tonkrug auf ihrem Kopf schwankt.
"Das ist meine Tante!" Erklärt der Wachmann beruhigend. "Sie ist etwas krank, deshalb muss sie auf dieser Magensonde hier herumfliegen. Verstehst du?"
Das Mädchen nickt und sagt, jaja, sie verstünde.
"Willst du nicht mal diesen Krug absetzen?" Fragt der Wachmann, im bemühen, die Situation für sie gemütlicher zu gestalten.
Sie guckt kurz überrascht, dann hellt sich ihr Gesicht auf. Sie lacht: "Ach ups, ganz vergessen, dass ich den noch aufhabe. Kennst du das, wenn man seine Brille sucht und dann irgendwann merkt, dass sie einem in den Haaren steckt? Genauso geht es mir mit diesem Wasserkrug, man ey.. fucking annoying."
Sie greift nach oben, packt den Krug und stellt ihn neben sich.
Der Wachmann starrt sie mit großen Kulleraugen an. Sie betrachtet ihn amüsiert. "Das nimmt dich gerade ziemlich mit, oder? " Kichert sie.
Der Wachmann nickt etwas hilflos. "Also - habt ihr hier jetzt Wale?" Greift sie den Grund ihres Hierseins wieder auf und schaut sich stirnrunzelnd, auf der Suche nach einem Wal, in dem Stall um.
Der Wachmann nuschelt zögerlich: "Ähh nein. Das war ich. Glaub ich." "Was!" Sie guckt ungläubig. "Quatsch. Aber von irgendwoher muss das Geräusch ja gekommen sein." Nachdenklich kneift sie die Augen zusammen. "Wieso sitzt du hier eigentlich alleine so trübselig in diesem dunklen Stall !!?"
Der Wachmann zuckt mit den Schultern und deutet mit der Fernbedienung in Richtung Tante.
"Muss halt". "Quatsch!!" Ruft das Mädchen erneut, eins ihrer Lieblingswörter. "Musst du sie nur auf diesem komischen Ding herumfliegen lassen? Weil das geht ja auch sonstwo. Das muss ja nicht hier in diesem Stall sein. Komm wir gehen schwimmen! Da ist ein See, nicht weit von hier."
]]>Meanwhile steht der Wachmann traurig im immer dunkler werdenden Stall und lässt die Magensonde herumfliegen, auf der die Tante mit fiebrig glitzernden Augen vor sich hin juchzt.
Irgendwann bringt Willibald gemein grinsend eine noch tiefgefrorene Tiefkühlpizza vorbei, die er auf den Boden legt, kurz schadenfroh winkt und wieder verschwindet.
"Daran kann ich mir jetzt die Zähne ausbeißen" murmelt der Wachmann zu Tode betrübt und sehnt sich nach seiner ersten Freundin zurück.
Franziska. Sie waren zwar nur ein paar Tage zusammen gewesen, aber für den Wachmann waren es unvergessliche Tage. Er seufzt tief auf bei dem Gedanken daran, wie sie sein Gesicht immer in ihre weichen Brüste drückte und dabei: "Schwabbeldischwabbeldieschwabbeldischwab!" Rief.
Franziska war auch unfassbar klug.
Das sah man an ihren Schuhen.
Sie hatte Mathematikformeln hineingeritzt - um genau zu sein, das Kommutativgesetz, was wirklich jeder kann, auch mit 3 - aber es wirkte trotzdem. "Sie wurde generell mit mehr Respekt behandelt als ich, ein simpler Wachmann" überlegt der Wachmann traurig. "Aber trotzdem verstehe ich nicht so richtig, warum mich nie jemand wollte. Ich habe doch immer nur mein Bestes gegeben, und bin wirklich kein schlechter Kerl. Aber irgendwie gucken immer einfach alle durch mich hindurch."
Er lässt die Tante in langen, sehnsüchtigen Kurven fliegen und hört ihr beim "Huiiiiiuiiiii" rufen zu.
Irgendwann beschließt er, sich hinzusetzen.
Er fühlt sich so müde, so unfassbar müde, aber er wird hier jetzt bleiben müssen. Wer soll sonst die Tante oben halten. Er lehnt sich an die Wand. Er beginnt zu frösteln.
Irgendwann kommt Willibald wieder in seinen Kniestrümpfen in den Stall gehuscht, noch gemeiner grinsend, in der Pfote einen Badeanzug. "Hier, kannst du dir überziehen!!" Lacht er fies und krabbelt wieder raus, genau wissend, dass der Badeanzug nicht den geringsten Unterschied macht, und es jetzt Nacht und immer kälter wird.
Die Tiefkühlpizza taut langsam.
Der Wachmann wartet sehnsüchtig auf den Moment, dass sie weich genug ist und er hineinbeißen kann. Lecker gefrorene Pilze. Sein Magen macht schon Geräusche.
Er fragt sich, was er hätte anders machen müssen. Vielleicht egoistischer sein? Gefühlt saß er schon viel zu häufig alleine in einem dunklen Raum, den er aus irgendeinem Grund nicht verlassen durfte.
Vielleicht hätte er einfach mal gehen, und gucken sollen, was passiert.
Die Kälte beginnt ihm den Rücken hinaufzukriechen und sich in seinen Knochen festzusetzen.
Er zieht seine Knie so nah wie möglich an den Körper und umarmt sie mit einem Arm, mit dem anderen muss er ja die Magensonde steuern.
Er hatte definitiv im Laufe seines Lebens mehr gedacht als getan.
Er hatte es auch immer allen recht machen wollen.
Und große Schwierigkeiten damit gehabt, eigene Bedürfnisse überhaupt erst zu artikulieren, geschweige denn, durchzusetzen.
Stattdessen hatte er schlucken gelernt, schlucken und sich unterordnen, und so ein Kram halt.
Der Wachmann seufzt.
Er fängt an, eine unendlich traurige Melodie vor sich hinzusummen, die ein wenig an Walgesang anmutet, während die Tante ihre Kreise fliegt.
Die Pizza ist nun soweit angetaut, dass er ein erstes Pilzchen von der Oberfläche pflücken kann. Funghi hmmm... er rollt die Pizza zu einer Art Dürüm zusammen und beginnt, an ihr rumzunuckeln. Schmeckt halt gar nicht wie bei Mama. Aaaach Mama.... denkt er sehnsüchtig und kann nicht umhin, der Traurigkeit in seinem Bauch wieder durch den Walgesang Ausdruck zu verleihen.
Warum bin ich nur so allein. Warum will mich denn keiner. Was hab ich denn falsch gemacht.
Der Wachmann singt selbstvergessen mit geschlossenen Augen, die Tante ruft "Huiiiii" auf der Magensonde und aus der Dürümpizza, die schlaff in seiner Hand hängt, tropft langsam der Saft.
Es vergeht so einige Zeit.
Aber auf einmal gesellt sich ein neues Geräusch zu dem Walgesang und dem Jubeln der Tante.
Die Stalltür knartscht.
Der Wachmann runzelt die Stirn und öffnet die Augen einen Schlitz.
In der Stalltür steht jemand. Und es ist nicht die Ratte.
]]>Und da hören sie es.
Ein langgezogenes, ohrenbetäubendes Trompeten.
Sie bleiben wie erstarrt stehen.
Und kurz darauf bricht ein Elefant durch die Bäume.
Er schlägt wild mit seinem Rüssel hin und her, die Augen dämonisch in alle Richtungen rollend. Aber der Elefant ist nicht alleine.
"Was ist denn mit dem los" flüstert der Dickbäuchige erstarrt, das Pilzkörbchen achtlos am Arm baumelnd.
Es ist ziemlich offensichtlich, was mit ihm los ist. Auf seinem breiten Rücken demonstrieren ca. 30 Wildschweine gegen irgendwas undefinierbares.
Sie halten ein Transparent vor sich ausgebreitet auf dem steht: "Faschismus ist für alle da" und jubeln.
Der Graf stöhnt: "Nicht schon wieder. Das mit den Demos haben sie sich von uns abgeguckt, aber noch nicht verstanden, dass der Grund für die Demo auch mit den Botschaften auf ihren Transparenten zusammenhängen muss ach herrje. Sie demonstrieren eigentlich dagegen, ausgerottet zu werden, was ja noch irgendwie verständlich ist, ist aber alles ein einziges Chaos."
Auf dem Kopf des Elefanten steht waghalsig ein Wildschwein mit einem Megaphon und feuert die Meute an.
"Wollen wir weiter ausgerottet werden?"
"NEIN WOLLEN WIR NICHT!" Brüllen alle zurück.
"Fühlen wir uns noch sicher in unserem Wald?"
"NEIN TUN WIR NICHT"
"WAS WOLLEN WIR ALSO??"
"ABSCHIEBESTOP FÜR ALLE SCHWEINE, EGAL OB SICHERES HERKUNFTSLAND ODER NICHT!!" (Da wurde das Geschreie ein wenig durcheinander.)
Ein anderes Schwein aus der Masse schwenkt ein Schild auf dem steht: "Weg mit den Homos" und ein anderes Schwein quiekt: "Love wins!"
Ein Zeppelin fliegt am Himmel entlang, an dessen Ende ein riesiges Banner im Wind flattert, auf dem die Worte stehen: "FICK RWE - DAS IST UNSER WALD"
"Fick Rewe? Hä?" flüstert der kleine Wasserkocher, unter dem Schwein schwankend, "sind die zu teuer geworden?" Der Graf zuckt genervt mit den Schultern: "Die vermixen alles. Die demonstrieren jeden Mittwoch und nennen es dann 'Montagsdemonstration', weil sie das auch irgendwo gehört haben, aber sich mit den Wochentagen nicht auskennen. Hab ich Trottel blöderweise vergessen, als ich die Jagd für heute angesetzt habe."
"Warum ballern wir sie nicht einfach alle jetzt ab!!" Zischt die steife Frau mit der hochgesteckten Lockenfrisur manisch mit wildem Blick und vorgestrecktem Unterkiefer und spannt ihre Armbrust. "Ne lass." Sagt der Graf resigniert, "gibt zu viel Sauerei. Müssen wir nochmal in Ruhe machen, jetzt dampft die Kacke schon, am besten gehen wir alle in die Sauna und lassen uns mit Sandelbaumhölzern bewedeln."
Doch die Situation hat sich ein wenig gewendet.
Der Elefant ist jetzt merklich näher gekommen, immer noch panisch mit seinem Rüssel herumpeitschend, die Wildschweine auf seinem Rücken nun völlig entfesselt.
Das Anführerschwein auf dem Kopf des Elefanten brüllt unbeherrscht ins Megaphon: "WIR FORDERN PRESSEFREIHEIT"
"JA!JA!JA!" Die Wildschweine springen auf uns ab, das Faschismusbanner ist fast in zwei gerissen, ein Schwein brüllt: "Orgamus ist für alle da!!!" "Faschismus man!!" Brüllt ein anderes, "alles das gleiche!!" Quietscht ein drittes und purzelt rücklings vom Elefanten. "Weg mit den Homos, weg mit den Homos!!" Kreischt das vierte, kriegt vom fünften eins aufs Maul, der ruft:" Du scheißatomkraftwerk!!" "ICH bin doch nicht das Atomkraftwerk!!"
"Erdogan aufs Maul!!aufs Maul!! aufs Maul!!" Brüllen nun alle einheitlich im Chor und recken die Fäuste. Erdogan schaut hinter einem Baumstamm hervor und fragt: "Wer hat mich gerufen?"
Der Graf zieht zischend Luft durch die Zähne und sagt: "Gleich eskaliert alles."
Der Elefant wird durch die rhythmische, immer krasser werdende Sprungbewegung der Schweine nun auch bei jedem Sprung mit hochgerissen und donnert jedes Mal wieder auf den Waldboden.
Verzweifelt hat er sich mit dem Rüssel um einen Baum gewickelt, der aber auch schon bedrohlich schwankt, wodurch ein Vogelnest auf den Boden kracht und ca. vier Eier zerbrechen. "Jetzt werden unschuldige Leben geopfert, typisch Faschismus." Murmelt eine der Ladies kopfschüttelnd, mit verschränkten Armen.
Die ganze Jagdgesellschaft ist mittlerweile wieder versammelt und steht ratlos am Rand, dem Schauspiel leicht unbehaglich beiwohnend.
Der Elefant wird immer höher mit hochgerissen und donnert jedes Mal heftiger zurück auf den Waldboden, auf dem sich bereits Risse bilden.
Die Schweine kreischen im Takt: "Me gusta la Gasolina" und das intellektuelle kleine Männchen murmelt nur: "So werden wir sie doch erst recht ausrotten. Kann doch keiner gebrauchen." Und lehnt sich schulterzuckend an einen Baumstamm.
]]>"Versteck dich!!" Flüstert Joao dem Schwein zu. "Die sind hier, um dich zu töten!"
Das Schwein reißt die Augen auf. "WAS" ruft es erschrocken. "Aber warum denn!!"
"Frag nicht!!" Insistiert Joao. "Hau ab!! Warne die anderen!!"
Das Schwein holt tief Luft, als ob es noch was sagen wollte, guckt verzweifelt nach links und rechts und gerade, als es sich umdreht, um davonzurennen, heult der Ritter auf: "Da ist eins!!!!!!"
Die ganze Meute stürmt auf ihren Steckenpferden auf das arme Schwein zu, das wie perplex erstarrt ist und seinem Tod mit geschocktem Blick entgegen sieht.
Gespannte Armbrüste.
"Lauf!!!" Schreit Joao.
Der erste Pfeil fliegt.
Doch dann, gerade noch rechtzeitig, schmeißt das Schwein sich hinter den Baum, fällt hin, rappelt sich auf und rennt davon.
Die Meute heult auf und prescht auf ihren Steckenpferden durchs Unterholz hinterher.
Joao versteckt sich am Rand, er will das arme Schwein ja nicht jagen.
Die beiden Ladies hoppeln halbherzig hintendrein und werfen sich zweifelnde Blicke zu.
Fiona schleicht etwas abseits herum und sucht gierig nach Mäusen, Wildschweine sind ihr zu groß und der Wackelpudding vorhin war doch etwas unbefriedigend für ihren Geschmack. Die salzige Komponente hat gefehlt.
Der Dickbäuchige hat indessen ein Pilzbuch aufgeschlagen (woher er das auf einmal hat) und studiert nachdenklich ein kleines Pilzchen am Boden, ungeachtet der großen Hektik, die auf einmal um ihn herum ausgebrochen ist.
Der Graf allerdings hat mit seiner Ägyptermethode bereits das erste Wildschwein erlegt.
Er kommt majestätisch herangeschritten, das tote Wildschwein triumphierend um den Nacken gelegt.
Gebieterisch blickt er sich um. "Wo sind denn alle.", fragt er herrisch. "Wie ist die Lage. Ich sehe noch überhaupt keinen Stapel toter Schweine. Wie enttäuschend." Joao betrachtet traurig das tote Schwein um des Grafen Schultern. Wenn er es doch nur auch hätte warnen können.
Mit einem genervten Zug um die Mundwinkel schaut der Graf sich um. Er nimmt das Schwein von den Schultern, sagt : "Halt mal" zu Joao, und legt es ihm um den Nacken. Joao knickt erstmal ein unter dem Gewicht des Schweins, kann sich aber gerade noch so halten.
Mit Mühe hält er das Gleichgewicht, während ihm das Blut des Schweins den Rücken herunterrinnt.
Der Graf joggt leichtfüßig durch den Wald und ruft dabei: "Wo ist mein Gefolge, bitte um Rückmeldung, bitte um Rückmeldung, Over !"
Kurze Zeit später fliegt die steife Frau mit der hochgesteckten Lockenfrisur Hals über Kopf aus dem Gebüsch, Blätter in den Haaren. Sie kracht auf den Waldboden und kreischt: "Sie sind uns alle entwischt, sie sind uns alle entwischt, sowas hab ich noch nie erlebt, jemand muss sie gewarnt haben!!"
Sie atmet schwer.
Dann fliegt das Steckenpferd hinterher, und schlägt neben ihr mit einem dumpfen "Plong" auf.
Die Frau rappelt sich hoch, schnappt sich das Steckenpferd, hält es wie einen Speer vor sich und schaut mit irrem Blick in alle Richtungen. Den Kiefer krampfhaft vorgestreckt. Das ist wohl so ihr move, überlegt Joao, schwitzend unter dem Schwein wankend.
Irritiert fragt der Graf die Frau: "Was ist denn mit dir los."
Aber sie macht nur: "Pschscht".
Und da hören sie es.
]]>Sie gehen durch einen langen Flur.
An den Wänden hängen diesmal keine toten Grafen in Goldrahmen.
Scheinwerfer, Spiegel und riesige Boxen hängen von der Decke.
Der Graf verkündet: "Das hier ist unser Techno- Tunnel! Die eigentliche Tanzveranstaltung ist aber natürlich im Ballsaal. Hier kann man in Ruhe Trallala Tüdelü machen, wenn ihr versteht was ich meine. Immer ein großer Spaß. Tja, leider sind nur adlige underground Familien willkommen." Bedauernd zuckt der Graf mit den Schultern. "Da machen wir auch wirklich keine Ausnahmen."
"Haben wir schon gehört" murmelt Joao traurig.
Sie treten nach draußen.
Mehrere Steckenpferde stehen bereit.
"Steckenpferde?" Fragt der Dickbäuchige ungläubig und runzelt die Stirn.
"Jajaja" ruft der Graf fröhlich. "Das irritiert die Wildschweine so sehr, dass sie geschockt stehen bleiben. Vorteil für uns hahaha."
Gut gelaunt steckt er sich das erstbeste Steckenpferd zwischen die Beine und fängt übermütig an, herumzuhüpfen. Er brüllt: "Macht den Weg frei für Graf L'Hannes von Techtelmechtel!!"
Alle anderen greifen sich auch -ein wenig zurückhaltender- ein Steckenpferd.
Armbrüste werden verteilt. Joao hebt abwehrend die Hände: "Nein danke, ich reite nur so mit."
Der Ritter murmelt grimmig: "Ich werde wieder so schwitzen in meiner Rüstung."
Joao hat ziemliche Schwierigkeiten, den Stab an seinem Stahlkörper zu befestigen, bis dann irgendjemand aus dem nichts ein Expander hervorzaubert, damit geht es dann einfacher.
Griesgrämig besteigt Fiona ihr Steckenpferd.
Hintereinander hoppeln sie nun alle auf ein Waldstück zu.
Der Mann mit der roten Nase meckert vor sich hin: "Dieser blöde Stab klemmt mir die Eier ab."
Hinter Joao hoppelt Ferdi, der Geldautomatendieb. Joao freut sich schon darauf, bei passender Gelegenheit einen kleinen Schwatz mit ihm zu halten.
Sie stellen sich am Waldrand auf.
Der Graf hat ein riesiges, silbernes Horn in der Hand.
Er brüllt: "Auf mein Signal!!! Wer am meisten Wildschweine erlegt!! Und loooos" und er bläst in sein Horn.
Alle hoppeln, manche mehr, manche weniger begeistert, in den Wald.
Das kleine intellektuelle Männchen jubelt unbeherrscht und hoppelt vorweg, die Armbrust wild in alle Richtungen schwenkend.
"Wo seid ihr kleinen Biester, Wo seid ihr.." murmelt die steife Frau mit der hochgesteckten Lockenfrisur gemeingefährlich, den vorgestreckten Unterkiefer irre in alle Richtungen drehend.
Der Graf hingegen scheint eine geheime Strategie zu verfolgen, weil er sich fern von den anderen wie ein Ägypter gehend durch den Wald bewegt und dabei singt.
Das Steckenpferd liegt achtlos herum.
Und auf einmal sieht Joao das erste Schwein. Es schnüffelt vorsichtig hinter einem Baum hervor.
]]>Fiona fühlt sich nicht so wohl. Es ist ihr alles zu laut und zu rüpelhaft. Außerdem sitzt sie neben einem ganz in Eisen gekleideten Ritter, der ständig nach dem Salzstreuer greift und sie dabei anstößt.
Als ob er sein Essen nicht mal langsam genug gesalzen hätte.
Mit spitzen Pfoten steckt sich Fiona ihre Serviette in den Kragen und greift nach ihrem Löffel. Sie sticht in ihren Wackelpudding. Probiert skeptisch. Viel zu süß. Künstliches Himbeeraroma.
Sie legt ihren Löffel beiseite und sieht den anderen leicht angewidert beim Essen zu. Der Ritter salzt ununterbrochen seinen Wackelpudding. Der Wasserkocher versucht, ihn zu verflüssigen um ihn dann mit dem Schnabel aufzusaugen. Das intellektuell aussehende, abwesend wirkende Männchen führt ständig die Gabel am Mund vorbei, was an sich nicht schlimm wäre, nur fällt dann immer alles hinunter. Ein kleiner Berg rosa Schwabbel hat sich bereits hinter ihm gebildet.
Nur die Kinder in ihren blütenweißen Hemden trinken artig ihre Fanta.
Einen Schluck nehmend, die Flasche absetzend, wieder einen Schluck nehmend, die Flasche absetzend. Absolut synchron.
Das intellektuell aussehende Männchen mit der braunen Cordjacke ruft gerade, den Blick auf einen fernen Punkt gerichtet: "Ja!Ja!Jaaa! Das muss es sein. Gaugain hat Van Goghs Ohr abgeschnitten! Das war er gar nicht selbst!" Und fängt an haltlos mit den Fäusten auf den Tisch zu trommeln, bis ihn sein Nachbar vom Stuhl stößt.
Der Mann, der so begierig den Ausführungen über die Desertifikation der Sahelzone gelauscht hat, schleckt mit außerordentlichem Genuss ein Eis am Stil. "Was für ein Eis ist das?" Fragt Joao neugierig.
Der Mann zieht die Augenbrauen hoch und sagt herausfordernd: "Willst mal schlecken??" "Gern!" Antwortet Joao und schleckt am Eis.
Auf einmal steht wieder der Pförtner im Raum, neben ihm ein kleiner, runder Mann mit diebischem Grinsen. "Aaaach nein!" Tönt der Graf. "Ferdi, dass du es noch geschafft hast!" Mit glitzernden Augen erklärt er der Tischgesellschaft: "Das ist Ferdi. Er ist auch zu einem großen Teil für meine Genesung verantwortlich, hat er doch seinen besonderen Operationsraum gestellt, und eingewilligt, mich spät in der Nacht noch zu behandeln. Wir haben uns damals, schon eine ganze Weile ist das her, in Uruguay beim Geldautomaten kennengelernt... Na Ferdi, alles fit?" Der Graf hält Ferdi seine flache Hand entgegen, der laut klatschend einschlägt. "L'hanneshanneshannes..." ruft er überdreht. "Schön, dich so wohlauf zu sehen!! Und, bereit für eine saftige Wildschweinjagd nachher??"
"Na sicher!! Wir sind alle schon ganz wild drauf! Ich werds heute mal mit einer Armbrust versuchen! Unser iranisches Ärzteteam ist auch dabei, schau- die haben die Not- OP gestern Nacht heldenhaft durchgezogen, haha!! Ich fühl mich so fit!!" Er spannt heldenhaft seinen Bizeps an und zeigt dann auf Joao und die Ladies. Joao lächelt höflich- distanziert. Man muss ja nicht gleich jeden direkt heiraten.
Sie essen noch genüsslich ihren Wackelpudding zu ende, doch gerade als der kleine Wasserkocher mit der gesamten Tischgesellschaft eine hitzige Diskussion über Zwangsprostitution begonnen hat, scheucht sie der Graf hoch. ("Ich finde, das kann man machen!!" Schreit der Mann mit der roten Nase und haut wütend mit der Fast auf den Tisch. Selbst der der kleine intellektuelle Mann hätte sich fast dazu geäußert.)
Im Gänsemarsch verlassen sie das prunkvolle Speisezimmer.
]]>"Sahelzone" verklingt im Raum.
Es ist schlagartig still geworden, und alle starren sie an.
Der Graf klatscht in die Hände. Ein paar gnomige Wesen erscheinen lautlos und stellen mit verkniffenen Gesichtern zusätzliche Teller auf den Tisch.
Alle müssen ziemlich zusammenrücken.
Der große Mann mit der roten Nase runzelt missbilligend die Stirn und flüstert seinem Tischnachbarn - einem Ritter- ungehalten zu: "Hätte ich gewusst, dass es so eng wird, wäre ich nicht gekommen!!" Der Ritter flüstert zurück: "Ich mit Sicherheit auch nicht." Beide lehnen sich steif zurück.
Der Graf blickt vergnügt über den Tisch. "Julius!" Ruft er dem Mann mit der roten Nase zu, der unwillig aufblickt. "Sei so gut und hole doch Stühle aus der Kammer nebenan für unsere Gäste. "
Der Mann mit der roten Nase zieht freudlos die Mundwinkel auseinander und grummelt: "Klar doch."
"Rebhuhn oder Wackelpuddig?" Fragt sie der Graf spitzbübisch.
"Wackelpudding." Sagen fast alle gleichzeitig.
Julius kommt mit den Stühlen und sie nehmen Platz.
Die gleichen gnomartigen Wesen stellen mit noch verkniffeneren Gesichtern riesige zitternde Berge rosa Gelee vor sie hin.
Joao leckt sich die Lippen und ballt aus Vorfreude die Fäuste um sein Besteck.
Der Dicke fragt mürrisch: "Gibts keine Vanillesoße" und die eine der Ladies flüstert der anderen Lady zu: "Gott so viel wollte ich doch gar nicht."
Fiona beäugt ihren Gelee kritisch, der aus Angst vor Zurückweisung vor sich hin zittert.
Der Graf hebt seinen Kelch und ruft: "Darf ich vorstellen- das Ärzteteam aus dem Iran, denen ich mein Leben zu verdanken habe. In meiner dunkelsten Stunde, als unsere ärgsten Feinde, die Motorradgang AOK - nein, nicht die Krankenkasse- fast einen endgültigen Sieg erlangt hat, rissen sie in letzter Sekunde das Ruder doch nochmal herum und holten mich von den Toten zu den Lebenden zurück. Danke, kann ich da nur sagen, Danke."
Er prostet allen zu, alle sagen feierlich: "Prost, auf den Grafen. " -"Neinneinnein" zetert dieser "auf das Ärzteteam!!"- "auf das Ärzteteam" wiederholen alle artig und trinken.
Auch die steife Frau mit der hochgesteckten Lockenfrisur, die dafür ihre Erklärung über die Sahelzone unterbrechen musste, Tja.
]]>Sie laufen durch eine prunkvolle Halle. Der Pförtner erklärt lisbelnd: "Das hier ist der Ballsaal. Einmal im Monat treffen sich hier die adligen underground Familien und tanzen Techno. " Er zwinkert ihnen zu. "Vielleicht werden Sie ja auch irgendwann mal eingeladen".
Joao guckt traurig und sagt: "Wir sind leider keine adlige underground Familie." Bedauernd zuckt der Pförtner mit seinen kleinen Hängeschultern und murmelt: "Ich war auch noch nie da."
Nachdem sie einen kleinen Hof mit einem Springbrunnen, an dem Rosen ranken, durchquert haben, kommen sie in ein langes Zimmer mit einer aufwendig gedeckten Tafel, an der bereits einige Gäste versammelt sind.
Lautes Stimmengewirr erfüllt den Raum.
Am Kopfende sitzt Graf von Techtelmechtel, in einen seidenen Brokatmantel gehüllt, die Krone auf dem Kopf. Links von ihm Lady Techtelmechtel, mit vornehm gespreiztem Finger und gespitzten Lippen an einer Tasse Tee nippend.
Neben der Lady sitzt ein riesiger Mann mit einer großen roten Nase und mülleimerdeckelgroßen Händen, der ununterbrochen ruft: "Dazu kam doch letztens ein Bericht!"
Ihm gegenüber lungert ein intellektuell aussehendes, abwesend wirkendes Männchen in einer braunen Cordjacke, den Blick verloren in die Ferne gerichtet, stoßhaft murmelnd: "Ja... ja... das muss es sein... Nein, doch nicht... Es muss am Konstruktivismus liegen."
Schräg gegenüber hat es sich eine steife, dürre Dame mit hochaufgesteckter Lockenfrisur bequem gemacht.
Sie fuchtelt mit ausgestrecktem Zeigefinger aufdringlich vor dem Gesicht eines dümmlich dreinblickenden Kerls herum, der sich rosarote Fleischstücke in den Mund stopft. "Natürlich ist der Mensch an der Desertifikation der Sahelzone schuld!!" Kreischt sie geierhaft, während der Kerl eifrig nickt, sabbert, die Fleischstücke vertilgt und in ihren Ausschnitt starrt.
Von der Seite kommt ein ungestümes: "Dazu kam doch letztens ein Bericht!!" Was geflissentlich ignoriert wird, und das intellektuelle Männchen stöhnt zusammenhanglos, den glasigen Blick an die Decke gerichtet: "... das hat schon Konfuzius gesagt..."
Alles in allem eine nette Runde.
Verloren zwischen den ganzen Gästen sitzen die beiden Kinder in ihren blütenweißen Hemden und den straffen Hosenträgern steif am Tisch und trinken lila Fanta aus 0,5 Liter PET Flaschen.
Joao, Fiona, die beiden Ladies und der Dickbäuchige stehen leicht verloren in der Tür, als der Graf sie bemerkt und mit volltönender Stimme: "Seht her, wer beehrt uns denn da!" Ruft und somit alle Unterhaltungen unterbricht.
]]>Der Dicke ist betrunken in einer Ecke des Restaurants eingeschlafen, links und rechts die beiden Ladies im Arm.
Die Omi und Samuel tanzen immer noch ausgelassen.
Fiona atmet immer mal wieder hörbar ein und aus und trippelt mit ihrer Pfote auf dem Tisch herum.
Joao fängt an zu pfeifen, wie ein altmodischer Wasserkessel, eine Funktion, die er sich in jahrelanger Übung angeeignet hat, um ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen.
Die bekommt er dann auch. Sie beschließen, mit dem Geld des Dickbäuchigen ein Taxi zum Anwesen des Grafen zu nehmen.
Zwischen der Omi und Samuel scheint sich etwas angebahnt zu haben, denn er reagiert nicht auf ihre Zurufe, sondern tanzt selbstvergessen mit der Omi eng umschlungen durchs Restaurant.
Eine halbe Stunde später fahren sie eine majestätische, mit Platanen gesäumte Auffahrt hoch. Sie steigen aus, bezahlen den Taxifahrer, der die ganze Fahrt über wissen wollte, was sie denn bei dem Grafen von Techtelmechtel bitteschön zu tun hätten, und klopfen an großes Tor.
Es klappert, eine Luke wird aufgeschoben. Ein Pförtner ohne Schneidezähne guckt durch das quadratische Loch.
Er grinst und fragt: "Na, wer seid ihr?" Joao erklärt, wer sie sind und woher sie kommen. Der Pförtner nuschelt: "Moment mal" und ist verschwunden. Kurz darauf hören sie einen Schlüsselbund klappern, das Tor wird aufgeschoben und sie werden hereingelassen.
"Herzlich Willkommen beim Grafen von Techtelmechtel!" Sagt der Pförtner wichtigtuerisch. Er lisbelt.
"Wo darf ich denn meine Pfoten sauberwischen?" Fragt Fiona vornehm. Der Pförtner reicht ihr ein Geschirrhandtuch.
Sie stehen in einer holzvertäfelten Eingangshalle.
An den Wänden hängen verstorbene Grafen in goldenen Rahmen. Mitten im Raum steht der "David" von Michelangelo. Joao pfeift anerkennend und fragt: "Ist das der echte?"
"Na klar" nuschelt der Pförtner, der nicht weiß, wovon Joao spricht. Er bedeutet ihnen, ihm zu folgen.
]]>Doch die Sorge war unbegründet.
Frau Würgdenspatz liegt selig grinsend auf der Magensonde und sieht auch überhaupt nicht mehr blau aus.
Scheinbar war der Therapieansatz geglückt.
Joao schürzt anerkennend die Lippen und sagt zu Willibald, er solle sich überlegen, ob er nicht in ihr renommiertes Ärzteteam aus dem Iran aufgenommen werden will.
"Die Frage ist nur" überlegt Joao "ob sie auch gesund bleibt! Schließlich ist sie jetzt wieder auf dem Boden und der Schwerkraft ungehindert ausgesetzt.."
Gute Frage- denn, als sie Frau Würgdenspatz erneut angucken, stellen sie fest, dass diese schon wieder dabei ist, blau anzulaufen.
"Da hilft nur eins" seufzt Willibald. "Jemand muss sie bis zum Rest ihres Lebens in der Luft lassen."
Er schaut vielsagend von einem zum anderen.
"Auf keinen Fall ich" sagt der Dicke und tritt kopfschüttelnd einen Schritt zurück "Ich muss zu meinem Windpark." Ouzo tropft ihm von den Ohren.
Der Wachmann guckt miserabel. Er scheint schon zu wissen, was ihm blüht.
Willibald grinst ihn vielsagend an. Er piepst: "Das bist dann wohl du. Kannst du ja erstmal machen, bis uns was besseres einfällt."
Eine der Ladies schüttelt sich wie ein nasser Hund und fragt: "Und warum musste das nun eine Magensonde sein und nicht ein x- beliebiges ferngesteuertes Flugzeug, oder so?"
Wilibald legt eine Kralle ans Kinn und überlegt kurz.
Dann sagt er wohlbedacht: "Hätte eigentlich auch ein x- beliebiges ferngesteuertes Flugzeug sein können, ja." "Neiin wirklich" stöhnt der Wachmann, der ja nun vermutlich seinen Job verlieren wird, oder vielleicht verlieren wird, für nichts. Obwohl er jetzt ja sowieso bis ans Ende seiner Tage bei Frau Würgdenspatz bleiben müssen wird.
"Aber dafür haben wir uns kennen gelernt." Tröstet ihn Joao, "wir sind doch ein lustiges Grüppchen und du hast doch eh Freunde gesucht." Der Wachmann nickt säuerlich. "Aber davon hab ich jetzt ja nichts! Ich werde hier für immer stehen müssen mit der Fernbedienung und ihr erlebt Abenteuer!"
"Ach" beschwichtigt Joao ihn. "So viele Abenteuer erleben wir nun auch nicht."
"Außerdem" fügt Willibald hinzu "war nicht klar, dass sie WIRKLICH allergisch gegen die Schwerkraft ist. Vielleicht hätte es also doch kein x- beliebiges Flugzeug getan."
"DU HAST HALT SAU DIE PANIK GEMACHT" brüllt der Wachmann, "DU HAST GESAGT; WIR BRAUCHEN IN JEDEM FALL DIESE MAGENSONDE; UND DASS ICH MEIN HAUS DAFÜR VERKAUFEN MUSS." Wuttränen stehen ihm in den Augen.
Willibald kichert böse und zuckt mit den Schultern. "Ein kleines Spässchen hat noch keinem geschadet."
"Als ob" krächzt der Wachmann, und fügt mir letzter Kraft hinzu: "Gib mir halt die Fernbedienung."
Der Dickbäuchige zuckt mit den Schultern und gibt die Fernbedienung an den Wachmann weiter, der so wütend auf den Knopf drückt, dass die arme Tante schon wieder gegen die Stalldecke knallt.
"Ja wollen wir dann mal?" Fragt der Dickbäuchige gleichgültig an die anderen gewandt. "Unser Job ist jetzt ja wohl erledigt und ich muss zu meinem Windpark zurück, ja, wenn's recht ist?"
Der Wachmann guckt verzweifelter als je zuvor, während er wütend die Tante im Stall herumflitzen lässt, den Daumen viel zu stark auf den Knopf gepresst. Man hört die Tante "huiiii" rufen.
Joao wirft einen letzten schuldbewussten Blick zum Wachmann hinüber, als Fiona, die Ladies, der Dickbäuchige und er den Stall verlassen. Den kieksenden Willibald, die fliegende Tante und den verzweifelten Wachmann ihrem Schicksal überlassend.
Sie beschließen, erstmal zurück ins Restaurant zu gehen, weil da die Omi und Samuel immer noch mit den Griechen Syrtaki tanzen.
Als sie ankommen, sehen sie die beiden selbstvergessen mit den Griechen im Kreis hüpfen.
Manchmal muss man die Leute halt echt zu ihrem Glück zwingen, so ist das, überlegt Joao. Samuel hüpft etwas ungelenk, aber glücklich, und die Omi überaus elegant mit wehendem grauen Haar. Als verdeckte Ermittlerin muss man wahrscheinlich aber auch in Topform bleiben und wirklich alle Tänze können.
Joao holt den Zettel des Grafen heraus. Es ist auch schon relativ spät, und so, überlegt er, könnten sie da auch eigentlich echt langsam mal hin fahren.
]]>Gesagt, getan.
Willibald zaubert zwei raue Seile hervor.
Er drückt auf einen Geheimknopf am Rande der Magensonde, woraufhin sie sich auf das zehnfache ihrer Größe aufbläßt.
Die blau angelaufene Frau Würgdenspatz läuft noch blauer an und fängt an zu zetern, dass ihr das nicht so recht sei.
Aber ihr hört keiner zu, und mit vereinten Kräften gelingt es ihnen, die strampelnde Frau Würgdenspatz auf der überdimensionalen Magensonde festzuschnallen.
Erschöpft liegt sie da nun, auf dem riesigen Magen, und guckt mit resigniertem Blick in die Runde. Willibald klatscht in die Hände. "Dann mal los!" Ruft er strahlend, den letzten verzweifelten Blick der guten Frau Würgdenspatz ignorierend.
Der Dicke rammt die Faust auf den Knopf auf der Fernbedienung.
Die Magensonde schießt senkrecht nach oben und knallt gegen die Stalldecke.
Man hört Frau Würgdenspatz quietschen.
"Huch!" Macht Willibald und hält sich die Pfoten vor die Augen.
Der Dicke justiert die Geschwindigkeit, brüllt "Tschulligung!!" nach oben, und weiter gehts.
Die Ladies haben die Flasche Ouzo aus dem Restaurant mitgebracht und kreischen nun im Hintergrund ununterbrochen Trinksprüche und Witze ("zwei Eskimos laufen die Straße entlang, fragt der eine, wo ist denn dein Iglu, sagt der andere: Ups, muss wohl das Bügeleisen angelassen haben HAHAHAHA, denn es ist nicht mehr da") und kippen dem Dicken zwischendurch Ouzo über den Kopf, der doch konzentriert versucht, die Magensonde zu steuern. Der ganze Stall stinkt nach Schnaps.
Frau Würgdenspatz ist nun ganz still auf ihrer Sonde.
Das ist ja nie ein gutes Zeichen.
Sie lassen sie mittlerweile schon ewig herumfliegen, aus Angst, was sie erwartet, wenn sie sie wieder runterlassen.
Irgendwann dann stöhnt der Dickbäuchige: "Mein Arm wird lahm" und daraufhin gibt Willibald ihm schweren Herzens ein Zeichen, die Sonde herunterzulassen.
]]>Gequält fragt der Wachmann nun, ob sie jetzt nicht endlich zu seiner Tante gehen könnten.
"Geh doch alleine zu deiner Tante" kiekst der Dickbäuchige aufgekratzt.
Joao steht auf und verkündet: "Wir gehen jetzt zu der Tante vom Wachmann! Wo liegt die denn?" Fragt er ihn.
Der Wachmann schluckt und erzählt, wo die Tante liegt. Sie stehen auf und huschen davon, die Magensonde hoch über sich her schwirrend und die Omi und Samuel zurücklassend - "wir holen euch dann später ab" - die ihnen gequälte Blicke zuwerfen, aber sich nicht von den Griechen loseisen können.
Kurze Zeit später stehen sie in einem Pferdestall.
Eine bläulich angelaufene Frau liegt im Stroh.
Dem Wachmann laufen die Tränen über die Wangen, er beugt sich zu ihr runter und schluchzt: "Tantchen, wir haben was du brauchst!!" Ein erleichtertes erschöpftes Lächeln breitet sich auf dem Gesicht der Frau aus.
"Wo ist denn Willibald?" Fragt der Wachmann atemlos und schaut sich um. Die bläuliche Frau stöhnt: "Kniestrümpfe kaufen. Ist Sommerschlussverkauf das wollte er noch mitnehmen. Müsste gleich wieder da sein."
"Willibald ist unser Nachbar, der ein paar Bücher über Medizin gelesen hat und mein liebes Tantchen verarztet" murmelt der Wachmann.
"Was hat sie denn?" Fragt Joao, denn es belustigt, auf einmal zu so einem wandernden Ärzteteam geworden zu sein.
Der Wachmann zuckt mit den Schultern. "Am besten fragt ihr gleich Willibald." Fiona hält sich angewidert die Nase zu. Wenn sie gewusst hätte, dass es sich um einen Stall handelt, wäre sie nicht mitgekommen und stattdessen ins Thermalbad gefahren.
Da raschelt es im Stroh und Willibald erscheint.
Er ist eine Ratte.
An seinen vier Beinen stecken hochgezogene Kniestrümpfe.
Er trägt ein Gerät um den Hals, mit dem man den Herzschlag abhören kann, welches ihm viel zu groß ist.
Er zappelt auf sie zu und piepst: "Hallohallo!! ich musste noch schnell die Kniestrümpfe mitnehmen, war ein richtiger Schnapper!!"
Dann bemerkt er die Magensonde, die über ihren Köpfen kreist und springt in die Luft vor Freude. "Juhu juhu!!" Piepst er. "Jetzt hab ich alles, was ich brauche, um die Frau Würgdenspatz gesund zu machen!!"
"Was hat sie denn ?" Fragt Joao noch einmal.
Willibald macht: "Hmmmmmmmm" und dreht sich im Kreis, aber nur, weil er sich im Kabel des Herzabhörgerätes verfangen hat.
"Ich glaube, sie hat ein Problem mit der Schwerkraft!" Verkündet er dann.
Joao runzelt die Stirn. "Wirklich?" Das kommt ihm spanisch vor. "Jajaja!!" Verkündet Willibald, leckt eine seiner kleinen Krallen an und streckt sie in die Luft, als wolle er messen, woher der Wind kommt. "Ganz eindeutig!!" Ruft er.
"Naa gut, sie sind der Experte!" Räumt Joao ein. ""Ja - ja!" Sagt Willibald bestimmt. "Die meisten Menschen leben im Einklang mit der Schwerkraft. Frau Würgdenspatz allerdings weißt eine allergische Reaktion dagegen auf. Da ist nur eins, was wir tun können. Sie in die Luft befördern! Ihr müsst mir helfen, sie auf die Magensonde draufzuschnallen. Dann fliegen wir mal ein bisschen mit ihr rum und gucken, wie es ihr dann geht."
]]>"Dem Grafen gehören die gesamten Ländereien südlich des Tigre!! Er ist unfassbar reich. Ihm gehört auch die größte automatisierte Melkanlage Südamerikas.
Außerdem organisiert er ständig illegale Ritterturniere, setzt Jungfrauen, die nicht ihr Einverständnis gegeben haben, als Preis aus und veranstaltet Wildschweinjagden. Das darf man nicht, denn die sind artgeschützt. An ihm sind wir also auch dran." Sie schnaubt gehässig. "Arschloch. Außerdem hat er seine Haushälterin geschwängert und dann vom Hof gejagt. Sowas kann ich gar nicht ab."
"Aaaahja." Sagt Joao gedehnt. "Und gibt es da gewisse Feindschaften?" "Ha!" Ruft die Omi und nickt. "Na klar! Seit hunderttausend Jahren bekriegt sich das Geschlecht des Grafen mit der Motorradgang 'Bitch Bitch kackgesicht' - unter Insidern auch 'BBK' genannt- nicht wie die Krankenkasse BKK, aber die bauen darauf, dass jeder das denkt HA, TOLLE TARNUNG - aus Bahia Blanca. Alles gewalttätige, irre Schweine wenn ihr mich fragt."
Sie nimmt einen tiefen Zug aus ihrer Zigi und ascht dann in Samuels volles Schnapsglas, und gerade als Samuel sich lauthals darüber beschweren will und die Omi sie fragen will, was sie denn im Zusammenhang mit dem Bernsteinzimmer der Graf von Techtelmechtel interessiert, kommt die tanzende Truppe aus dem Hinterzimmer in einer langen Bolognese auf sie zugetanzt, dabei komische, überkreuzte Schrittkombinationen machend.
Einer von ihnen spielt eine Fidel, oder so etwas ähnliches. "Tanzen, tanzen!!" Rufen sie und tänzeln im Halbkreis vor ihnen rum. Der Dicke und die Ladies starren sie mit offenem Mund an. Samuel runzelt die Stirn, die Oma ruft: "Weg mit euch!" Und fuchtelt mit den Händen herum, als wären die Männer nervige Fliegen.
Joao will ihnen gerade den Gefallen tun, und sich zu einem Tänzchen erheben - natürlich weiß er genau, was sie da tanzen, und wie der Tanz funktioniert, es ist Syrtaki- aber da haben die Griechen schon übermütig die Omi und Samuel hochgezerrt, die nun notgedrungen, mit krampfhaft verkniffenen Gesichtern, versuchen, die Schritte nachzuhüpfen.
Joao zuckt mit den Schultern und setzt sich wieder hin.
Derweil versucht der Dicke, die Ladies zu überreden, ihn genauso zu massieren wie die Fleischberge in der Dikubitusabteilung. Die Ladies aber liegen unter dem Tisch und lassen mit wilden Bewegungen die Magensonde Loopings fliegen, man sieht nur ihre dürren Arme unter dem Tischtuch herausragen.
]]>Sie zieht den Rauch ihrer Zigarette tief ein und kippt noch einen Ouzo.
Fiona maunzt geziert aufgrund des in ihren Augen übermäßigen Alkoholkonsums.
"Tja" die Oma nimmt noch einen großen Schluck und leckt sich die Lippen. "Hat aber geklappt. Er hat den Geldautomaten auf den Rücken eines Esels geschnallt und ist davon gedackelt, alle haben es gesehen und gedacht, der darf das dann wahrscheinlich. Seitdem ist da, wo der Automat war, ein leerer Fleck. Daneben steht eine - entschuldigt bitte- verfickte Gedenktafel. Und dann war er verschwunden. Ich hab den Kollegen in Urugay so gut es ging geholfen - war ja damals Hauptkommissarin in Buenos Aires. Heute bin ich ja nur noch verdeckte Ermittlerin, war ja eigentlich schon in Rente, aber wenn man es so sehr in den Knochen hat wie ich, dann gibt's keine Rente - naaaja! Aber er war einfach weg. Das ganze ist jetzt 5 Jahre her."
Der Dicke schlürft und schmatzt an seinem Ouzo.
Die beiden Ladies hören gar nicht mehr hin und prosten sich ununterbrochen zu: "Auf die Libido!!" "Auf die Magenschleimhaut!!" "Auf die Karriereleiter, die wir gerade emporklettern! jeeeeeehhhh!!!"
Aber Joao und Samuel hängen an den Lippen der Oma.
Fiona feilt sich die Krallen und der Wachmann hat wieder den ewig gehetzten trübseligen Gesichtsausdruck aufgesetzt und starrt aus Angst um sein Tantchen sorgenvoll in die Gegend.
Er hat seinen Schnaps noch nicht mal angerührt.
Die Oma redet weiter. "Jedenfalls ist er vor ein paar Wochen aus der Versenkung aufgetaucht. Indem er dieses Krankenhaus eröffnet hat. Den Bankraub damals kann ich ihm nicht nachweisen, aber wir haben Grund zu der Annahme, dass das Krankenhaus nur Alibi ist, um die Existenz des Bernsteinzimmers zu verschleiern. Jetzt hatte ich den Eindruck, ihr wüsstet etwas darüber, weil ihr so komische Fragen gestellt habt. Und ich dachte, wir könnten uns gegenseitig unter die Arme greifen." Sie kippt noch einen Schnaps und schaut sie taxierend an.
"Sagt Ihnen der Name Techtelmechtel etwas?" Fragt Joao die Omi nachdenklich.
Die kriegt ganz große Augen. "Na klar!" Krächzt sie.
]]>
Die Oma seufzt.
"JEDEN TAG gehe ich dahin, tue so, als hätte ich Rhinitis, damit ich in die Rhinitisabteilung reinkomme, und dann LIEGE ICH DA WIEDER den ganzen Tag mit diesen schrecklichen Zangen im Gesicht!! KEIN MAL ist es mir bisher gelungen, weiter vorzudringen."
"Wohin denn vordringen?" Fragt Samuel ungeduldig.
"Na weiter rein in die Höhle des Löwen!!! Also jetzt mal Klartext. ich ermittle undercover. Wegen Kunstraub. Es wird vermutet, dass unter oder in diesem Krankenhaus das seit 1945 verschollene Bernsteinzimmer versteckt ist. Viele Indizien weisen daraufhin, aber bisher konnten wir nichts beweisen und nichts finden."
Sie atmet tief durch und stürzt den Ouzo herunter. Der Schnaps brennt in der Kehle. Sie schließt die Augen und macht "ahhh".
Sie fährt fort: "Der Besitzer des Krankenhauses ist ein ganz Durchtriebener. Ich hab ihn damals in Uruguay am Geldautomaten kennen gelernt." "Alle treffen sich in Urugay am Geldautomaten!!!" Murmelt Joao stirnrunzelnd.
"Jaja ist halt der Place to be." Winkt die Oma ungeduldig ab und steckt sich eine Zigarette an.
"Entschuldigung, hier wird nicht geraucht!!" Sagt ein blitzschnell angeschlichener Kellner.
"Ach jetzt halt mal die Luft an, Bürschchen!!" Krächzt die Oma und bläst ihm Rauch ins Gesicht. "Wir haben hier gerade Krisenrat, geh mal schön wieder hinter deinen Herd aber dalli."
Mit verkniffenem Gesicht verschwindet der arme Kellner hinter seinem Herd.
Die Oma bläst den Rauch genüsslich durch die Nasenlöcher aus, wie ein Drache, und fährt fort zu erklären: "Jedenfalls- ich hab ihn am Geldautomaten in Uruguay getroffen damals. Ungelogen. Aber- nicht zum Geld abheben! JEDES MAL war er am ausmessen, wie groß ein Loch in der Fensterscheibe mindestens sein muss, damit der Geldautomat da durchpasst! Als ob es nicht reicht, das einmal auszumessen! Der wollte den Klauen. Den Automaten. Totaler Irrsinn wenn ihr mich fragt. Aber jetzt hört gut zu, was dann passiert ist."
]]>"Trinken wir jetzt eigentlich einen Schnaps?" Fragt die Lady mit dem losen Kleid, während sie die Straße entlangschlendern. "Ich dachte, das war so abgemacht!" Grunzt der Dickbäuchige unwirsch.
"Ich würde wirklich gerne zu meinem Tantchen, nicht, dass wir dann betrunken die Magensonde noch verlieren!!" Wendet der Wachmann schüchtern ein. "Recht hat er!!" Stimmt Joao zu.
Auf einmal sind die schnellen, schlurfenden Schritte direkt hinter ihnen und ein krächzendes Stimmchen ruft: "Jetzt wartet doch mal!! Ey!! Ihr Krankenhauskritiker!!!!"
Sie drehen sich verdutzt um und sehen die Oma mit wehendem Grauhaar auf sie zusprinten.
Instinktiv springen sie zur Seite, müssen sich dann erstmal bedröppelt wieder aufraffen und sich den Dreck von den Klamotten klopfen.
Beschämt räuspert sich Joao.
"Alter Verwalter!!!" Krächzt die Oma. "Dass noch so viel Speed in meinen alten Knochen steckt, hätte ich nicht gedacht."
"Wir auch nicht!!" Gesteht Joao säuerlich ein und versucht ihr anerkennend auf die Schulter zu klopfen, trifft aber nur den Oberschenkel, weil er so klein ist.
Sie keucht: "Ermittelt ihr denn auch!? Ihr seid nämlich keine Krankenhauskritiker, das seh ich aus tausend Meter Entfernung ohne Brille! Und begrapsch mich nicht!" Sagt sie drohend an Joao gewandt, der die Hand schuldbewusst von ihrem Oberschenkel nimmt.
"HÄ, wie ermitteln" nuschelt die Lady mit dem losen Kleid dumpf.
"Ihr braucht mir nichts vormachen!!!" Heult die Oma, "ich durchschaue alles!!!"
"Komm wir trinken erstmal den Schnaps. Dann unterhält sich's besser." Wirft der Dickbäuchige ein. Ausnahmslos alle nicken zustimmend.
Gegenüber ist ein griechisches Restaurant. Sie gehen hinein.
Das ganze Restaurant ist leer, nur im hinteren Bereich tanzen ein paar Leute lustig im Kreis und halten sich dabei an den Händen. "Was sind das denn für Irre!!" Flüstert eine der Ladies.
Sie setzen sich an eine lange Tafel und bestellen eine Flasche Ouzo.
Der Wachmann stöhnt vor sich hin: "Nichts gegen einen Schnaps, aber verliert bloß nicht die Magensonde, verliert bloß nicht die Magensonde".
"Was genau meinst du denn jetzt mit dem Ermitteln, was redest du da!" Stellt Joao die Oma zur Rede und stellt fest, dass ihre Nasenlöcher wirklich ausgeleiert sind.
]]>Die Ärzte laufen in großen Schritten vorweg und unterhalten sich hastig flüsternd über ihre ausstehende Mitarbeiter des Monats Titelverleihung.
"Was ziehst du an??" Murmelt Jürgen dem anderen Arzt zu.
"Weiß nicht" murmelt der zurück "vielleicht den Frack, den mein Großvater zu seiner Hochzeit trug... Glaubst du, wir sollten eine Rede halten?"
"Wurde doch bisher jedes Jahr so gemacht, oder?"
"Neinneinnein, das kann ich nicht. Da werden meine Hände ganz schwitzig und mein Kopf ganz rot und ich fange an zu stottern."
"Das passiert den Besten - nimm einfach Ritalin." Rät ihm Jürgen wohlmeinend, und so weiter und sofort.
Sie laufen immer noch den langen Flur entlang und sind nun kurz vor dem dunklen Rohr, durch das sie durchkrabbeln müssen.
Auf einmal drehen sich die beiden Ärzte blitzartig um.
"Ihr dürft keinem von diesem goldenen Zimmer erzählen!!" Sagt der Arzt, der nicht Jürgen ist, eindringlich.
Überrascht von dieser plötzlichen Ansprache laufen Joao, die Ladies, der Dicke, Samuel, Fiona und der Wachmann ineinander.
Der Dicke hat sich als erstes gefasst.
Er fragt herausfordernd: "Wieso??"
"Weil uns das alle in Teufels Küche bringt!!!" Zischt Jürgen. "Habt ihr verstanden?? Und jetzt weiter! Los - ihr zuerst!" Die Ärzte scheuchen alle nacheinander in das Rohr hinein und klettern dann selbst hinterher.
Kurz darauf sind sie in der Dekubitusabteilung, wo immer noch riesige Fleischberge von Menschen hin und hergewälzt und durchgeknetet werden.
Der überdrehte Wachmann macht sich einen Spaß daraus, die Magensonde in verrückten Sinuskurven auf die Fleischberge zu sausen zu lassen, die daraufhin noch lauter röhren und sich in letzter Minute aus dem Weg schmeißen.
In der Rhinitisabteilung liegt immer noch die Oma auf ihrer Liege und funkelt sie böse an, mit grotesk auseinandergedehnten Nasenlöchern. Sie versucht, ihnen irgendetwas zuzuschreien, was aber keiner versteht und sie halt echt auch nicht interessiert.
Dann stehen sie wieder vor dem Krankenhaus.
Der Wachmann lässt die Magensonde hoch über ihren Köpfen ruhige Kreise fliegen, wo sie von Vögeln neugierig beäugt wird ("Was ist denn das für ein Kollege" krächzt ein Rabe einem Spatz zu, der nur ratlos mit dem Köpfchen zuckt und "weiß nicht" piepst, als die beiden nebeneinander vorbeifliegen.)
Der Dicke atmet stoßhaft aus, als habe er gerade einen Marathon hinter sich, und stemmt die Hände in die Hüften. "Das war ja was!" Sagt er stolz.
Dann wendet er sich mit erhobenem Zeigefinger an Joao: "Ich wünsche mir übrigens immer noch die Tangoeinlage von Ihnen, zur Hochzeit meiner Nichte!! Dass das bloß nicht in Vergessenheit gerät!"
Doch Joao starrt nur abwesend in die Ferne und murmelt nachdenklich vor sich hin: "Was wohl mit der Oma los war... die hatte doch echt nicht alle Tassen im Schrank."
Da hören sie schnelle, schlurfende Schritte hinter sich.
]]>Eine kurze Zeit später hört man ein merkwürdiges Summen.
Die Tür geht auf und ein komisches Flugobjekt fliegt in den Raum.
Es sieht aus wie ein großer Magen.
Hinterher kommt der Arzt, mit einer Fernbedienung in der Hand, laut am Gackern. Er lässt das Flugobjekt wilde Loopings fliegen.
"Das ist eine Magensonde?" Fragt der Dickbäuchige erstaunt.
Der andere Arzt, der in dem Raum geblieben war, nickt säuerlich.
Ein paar Minuten noch lassen sie dem Arzt seinen Spaß, dann räuspert sich der Graf hörbar. Er sagt: "Wie wäre es, wenn Sie dem Wasserkocher jetzt die Magensonde geben."
Widerwillig setzt der Arzt zu einem steilen Landeanflug an. Die Magensonde knallt auf den Boden, ist aber nicht kaputt.
"Bitte" sagt der Arzt, und gibt die Sonde Joao, der das Ding verwundert beäugt und betastet und dabei murmelt: "Hallo wer bist denn du".
Der Wachmann hüpft in die Luft und stößt einen Freudenschrei aus. Der Form halber fallen sich die beiden Ladies auch um den Hals.
"Gut." Sagt der Graf L'Hannes von Techtelmechtel. "Es wird jetzt auch wieder Zeit für mein tägliches Techtelmechtel - Schatz- bist du bereit?" Fragt er, an Lady von Techtelmechtel gewandt, die vornehm nickt, frech zwei Finger vor den Mund hält, die Zungenspitze durchstreckt und auf und ab bewegt.
"Hier- ich gebe euch meine Adresse. Kommt doch morgen zu uns. Wir haben für den Abend eine Wildschweinjagd angesetzt, das wird euch sicher Freude bereiten."
Joao hält die Luft an und presst dann hervor: "Aber die sind vom Aussterben bedroht!!"
Der Graf lacht höhnisch. "Jetzt glauben Sie mal nicht alles, was man ihnen in der Schule erzählt. Im Iran vielleicht, hier nicht."
Und mit diesen Worten richtet er sich auf. "Darf ich Sie jetzt bitten, uns allein zu lassen. Wir brauchen unser Techtelmechtel. Hier ist die Adresse." Er reicht ihnen ein Stück Papier.
Sie verlassen im Gänsemarsch das Zimmer und hören dann nur noch lautes Stöhnen und Schnaufen. Im Zimmer sitzen ja auch immer noch die beiden Kinder mit den großen Kulleraugen, was die schon alles mitkriegen müssen, in ihren jungen Jahren.
]]>"Ich erinnere mich an nichts." Nuschelt der Graf und schaut mit trübem Blick von einem zum anderem (in diesem heillos überfüllten Raum).
Die Lady atmet tief durch und sagt: "Schatz- ich fürchte, es war die Motorradgang. Ich glaube, sie wollten dich vergiften."
"Nicht vor den Kindern!!" Sagt der Graf scharf.
Beide Kinder haben erschrockene, glasige Kulleraugen bekommen. Der Graf seufzt. "Jetzt müssen die beiden schon wieder in Therapie. Naja, was soll man machen. Wem verdanke ich denn eigentlich meine Rettung?" Fragt er in die Runde.
Die Ärzte wollen gerade: "Ich, ich!!" Rufen, als schon die Lady von Techtelmechtel vornehm berichtet: "Das Ärzteteam aus dem Iran. Vornehmlich dieser kleiner Wasserkocher hier. Wir haben ihnen viel zu verdanken."
Jürgen räuspert sich und sagt: "Aber natürlich haben wir die Entscheidung getroffen, diese Spezialisten hier überhaupt einfliegen zu lassen."
Der Graf nickt. "Ich würde mich gerne erkenntlich zeigen und Sie auf meinen Landsitz einladen. Sie wären unsere Gäste, so lange, wie Sie wollen. "
Der Wachmann quietscht. Alle schauen überrascht auf. Er wimmert: "Aber meine arme Tante." "Oh- oh ja!!" Hilft ihm Joao. "Wir haben vorher leider noch ein anderes Problem. Seine Tante - " und er deutet auf den Wachmann- "wird morgen operiert und wir brauchen unbedingt eine Magensonde. Ohne läuft nix."
Der Graf runzelt die Stirn und guckt die Ärzte an. "Sie haben sowas doch bestimmt hier im Krankenhaus rumfliegen. Los gehen Sie mal gucken." "ÄÄHHM" protestiert der Arzt, der nicht Jürgen heißt. "So einfach ist das nicht!! Wir müssen da erstmal einen Antrag ausfüllen..." Joao fängt vor Wut an zu kochen.
Blubbernd und spritzend sagt er: "HALLO Sie sind gerade Mitarbeiterteam des Monats durch uns geworden!!" Während ihm Qualm unkontrolliert aus dem Kopf strömt.
"Wo er recht hat" murmelt Jürgen und schielt zu dem Arzt, der nicht Jürgen heißt, hinüber. "Ja komm wir holen ihnen eine. Merkt doch keiner." Der andere Arzt schürzt die Lippen. "Auf deine Verantwortung, Jürgen!" Und Jürgen verschwindet.
Der Wachmann fingert nach seiner Pistole, die er auf Wunsch der Lady von Techtelmechtel hinter sich gelegt hatte, und steckt sie wieder unauffällig an seinen Gürtel. Die Kinder gucken immer noch glasig.
]]>Mit zackigen Bewegungen und ohne viel Trallala schneidet Jürgen einen Ärmel des Königs ab und eine grünliche, große Beule kommt zum Vorschein.
Er sagt: "Aufgepasst jetzt. Das ist eine streng geheime Operation. Graf L'Hannes von Techtelmechtel wurde heute Nacht schwer krank hier eingeliefert. Es handelt sich um eine uns unbekannte Vergiftung. Vielleicht ist es die Pest. Jedenfalls sind wir verzweifelt genug, alles auszuprobieren. Auch ihre komischen Egel." Er seufzt.
Die Frau guckt mit verweinten Augen hoch und schluchzt: "Werdet ihr ihn retten können?"
Joao muss ein Kichern unterdrücken, als er mannhaft sagt: "Wir werden alles tun, was in unseren Kräften steht. Wir sind extra aus dem Iran eingeflogen."
"Aus dem Iran!" Schluchzt die Frau auf. "Tatsächlich?"
Etwas forscher sagt sie dann: "Ich bin übrigens Lady von Techtelmechtel. Und das sind unsere Kinder, Johannes und Peter. Der einfältige Rüpel dort ist Knecht Jonas." Sie wirft dem Jüngling mit der Mistgabel einen abschätzigen Blick zu.
Dann guckt sie Samuel angeekelt an und fragt: "Warum sind Sie denn so blutig. Kennen Sie das Wort "steril" im Iran nicht? Hm?" Samuel nuschelt irgendwas unverständliches. "Was??" fragt die Frau aber wendet sich direkt an den Wachmann: " Und bitte- könnten Sie bitte diese Pistole ablegen. Ich fühle mich dabei nicht wohl."
Sie zieht die Augenbrauen hoch und fragt dann Fiona: "Und was haben Sie mit Ihrem Schwanz gemacht? Sehen alle Mediziner aus dem Iran so aus?" Sie schüttelt den Kopf. "Naja. Solange sie Graf von Techtelmechtel wieder heil machen, ist mir alles recht."
Die Kinder scharren verlegen mit ihren Füßen herum.
Jonas, der Knecht, befingert selbstvergessen die Zinken seiner Mistgabel.
"Also!" Sagt Joao, Tatendrang ausstrahlend.
Er rollt die nicht vorhandenen Hemdsärmel hoch und sagt: "Egel bitte!" Der Arzt, der nicht Jürgen heißt, reicht ihm eine Metallschale, in der die zwei Egel glücklich herumkringeln.
Joao zieht die Gummihandschuhe klatschend an, nimmt das erste Blutegel und setzt es ohne viel Federlesen auf die Schwellung.
Dann macht er das gleiche mit dem Zweiten.
Die Blutegel beißen sich direkt fest und fangen an zu saugen. Ihre dunkelroten, glänzenden Leiber kontraktieren mit jedem Zug.
Sie alle stehen um den OP- Tisch herum und starren die saugenden Egel fasziniert an.
"Wie lange müssen die Dinger saugen?" Fragt eine der Ladies angeekelt, während sie den Wachmann streichelt, der sich ganz grün im Gesicht an ihr abstützt und: "Ich bin für sowas nicht gemacht" stöhnt.
"Bis sie satt sind" kichert Joao vergnügt. Fiona hat sich betont in eine andere Richtung gedreht und wedelt nervös mit ihrem abgeknickten Schwanz. "Sag mal hat nicht mal jemand von euch ne Stecknadel" lässt jetzt die andere Lady verlauten "damit ich mal endlich dieses doofe Kleid festkriege."
"Können Sie sich darum nicht später kümmern" sagt Lady von Techtelmechtel hochnäsig, ohne den Blick von den Blutegeln abzuwenden, die weiterhin genüsslich saugen.
Die Schwellung wird sichtbar kleiner.
Mit jedem Zug der Egel scheint wieder mehr Farbe in das Gesicht des Grafens zurückzukehren.
Die Egel saugen weiter und weiter, bis auf einmal der eine einen kleinen Rülpser von sich gibt und abfällt.
"Jetzt ist er satt!!" Verkündet Joao und nimmt den Egel vom Bettlaken.
Der Graf fängt langsam an, sich zu regen. Er blinzelt mit den Augen und stöhnt: "Wo bin ich, was ist passiert" "Techtelmechtelchen!!!" Ruft die Frau affektiert und stürzt ihm unladyhaft in die Arme.
Er tätschelt ihr müde den Rücken.
Die beiden Ärzte machen High Five, weil sie nun Mitarbeiterteam des Monats werden.
Dann rülpst auch der andere Blutegel und fällt ab.
Joao schnappt ihn sich, und hält ihn nah an das Gesicht des Grafen: "Schau ihn dir genau an" murmelt er dem Blutegel zu, der sich zwischen seinen Fingern windet. "Den hast du gerade gesund getrunken! Das hast du toll gemacht." Und mit diesen Worten legt er ihn zu seinem Freund zurück in die Metallschale.
Die beiden Kinder Johannes und Peter schauen nun schüchtern ihren gesundenden Papa an.
Der Knecht sagt gleichgültig: "Es ist 17:00, ich habe jetzt Feierabend. Bis morgen." Und steht auf, schultert die Mistgabel, wobei er ein goldenes Relief zerkratzt, und geht.
]]>
Ein komplett anderes Bild bietet sich ihnen.
Große Matten liegen auf dem Boden, auf denen fleischige, bleiche, riesenhafte menschliche Körper von schweißüberströmten Pflegern durchgeknetet werden.
Verstört laufen sie an dem sich ihnen darbietenden Schauspiel entlang.
"Was passiert hier" flüstert der Wachmann, den glasigen Blick auf einen lauthals röhrenden Mann gerichtet, der von zwei Pflegern unter gewaltigem Kraftaufwand hin und hergewuchtet wird, das Bauchfett links und rechts laut auf die Matte klatschend, seine Arme willenlos über den Kopf gereckt.
Daneben wird eine laut kreischende, elefantöse Blondine bearbeitet, an deren monströsen Oberschenkeln vier erschöpfte Pfleger gleichzeitig kneten.
Sie gehen weiter, vorbei an bleichem, wabbelnden Fleisch. Der strenge Geruch von Schweiß und Exkrementen liegt in der Luft.
Nur der Dickbäuchige murmelt glücklich vor sich hin: "Na im Vergleich zu euch bin ich doch ein wahres Prachtexemplar."
Dann kommen sie zur nächsten Milchglastür.
Hier steht: "OP- Kein Zutritt"
Unwirsch drückt der eine Arzt die Tür auf und sie gehen hinein.
Nun stehen sie in einem riesigen Raum voller OP- Tische. Unter riesigen, schirmhaften Lampen liegen Kranke und Verletzte und jammern und wimmern, fast wie in einem Kriegslazarett.
"Kommt mit, kommt mit" ruft Jürgen und sie folgen ihm.
Doch wider erwarten bleiben sie nicht an einem der Tische stehen, sondern gehen weiter, durch eine andere Tür, eine Treppe herunter, krabbeln hintereinander durch ein dunkles Rohr und gehen dann einen dunklen Gang entlang.
Dann durch noch eine Tür.
Und auf einmal stehen sie in einem komplett goldenen Zimmer.
In der Mitte steht ein prunkvoller OP- Tisch.
Ein Mann mit geschlossenen Augen liegt dort ausgestreckt. Er hat eine herrschaftliche Adlernase und ist so bleich wie ein Vampir. Außerdem ist er gekleidet wie der gestiefelte Kater.
Er trägt sogar eine Krone. Fast wie ein König! Oder vielleicht sogar genauso wie ein König.
Eine Frau sitzt auf einem thronartigen Stuhl neben dem Bett und weint. Zwei Kinder sitzen betreten guckend daneben. Beide tragen Lederhosen und festgezurrte Hosenträger über blütenweißen Hemden. Sie sitzen kerzengerade und artig auf ihren Stühlen, ohne sich zu rühren. Und außerdem lümmelt dort ein anderer teilnahmslos guckender Kerl mit einer Mistgabel in der Hand herum, der hier irgendwie nicht ganz hinzupassen scheint.
Alle drängeln sich hinein. Der Arzt namens Jürgen wirft die Arme in die Luft und sagt: "Tja. Jetzt seid ihr dran."
]]>Natürlich entbrennt wieder eine hitzige Diskussion.
"Du weißt doch nicht, was du tust!!" Schreit die eine Lady schrill.
Und der Wachmann ruft heiser mit fleckigem Hals: "Jetzt wird noch jemand geopfert."
Samuel brüllt: "Das ist doch komplett sinnlos!!! Wir kriegen nicht mal was von den blöden Ärzten, wir sind frei und seine blöde Tante interessiert uns auch nicht, was machen wir hier eigentlich!!"
Der Dicke, der sich jetzt scheinbar irgendwie mit der Wendung der Dinge abgefunden hat, murmelt nur ruhig lächelnd: "Gottes Wege sind unergründlich" und spielt dabei mit einem kleinen Windrad an seinem Schlüsselbund.
Fiona verdreht die Augen, schlägt mit ihrem zackigen Schwanz gegen die Wand und maunzt zwischendurch: "Wäre doch bloß mein Koffer angekommen."
Woraufhin Joao aufbrausend ruft: "Und hätte ich meinen nicht verloren!! Da war mein ganzes Parfüm drin!"
Kurz darauf sind auch die Ärzte wieder da, mit zwei schleimigen kleinen Würmern aus der Türkei.
Sie waren schlau genug, vorher feste Gummihandschuhe anzuziehen, bemerkt Joao anerkennend, damit die Blutegel sich nicht in ihre eigenen Hände graben.
"Kommt mit!" Sagt Jürgen und öffnet die Tür zur Rhinitisabteilung.
"Da gehen wir nur durch" kündigt er an und sagt dann mit einem leicht schuldbewussten Ausdruck in den Augen: "Wir haben heute einen äähh etwas turbulenten Tag, deshalb ääh ja wundert euch nicht, wenn ihr ein paar komische Sachen zu sehen bekommt, das ist - ähh ja- nicht Normalität. chhrm." Er räuspert sich und sie gehen durch die Tür.
Sie kommen in einen breiten, langgezogenen Raum. Beide Seiten sind mit grünen Zahnarztstühlen gesäumt, auf denen hilflos Patienten liegen.
Riesige metallische Zangen greifen von hinten nach ihren Gesichtern und dehnen ihnen auf groteske Art und Weise die Nasenlöcher auseinander.
Riesige Scheinwerfer leuchten in die Nasenabgründe hinein.
Joao muss schlucken. Es ist ziemlich pervers.
Menschen in weißen Kitteln laufen gestresst herum, rufen: "Antoine kommst du mal bitte, schnell" und wedeln dabei mit furchterregenden Instrumenten.
"Im Prinzip kurieren wir hier nur Schnupfen" murmelt der Arzt, der nicht Jürgen heißt, unangenehm berührt und geht noch einen Schritt schneller. Eine der Ladies erbarmt sich und nimmt Joao auf den Arm, der mittlerweile große Schwierigkeiten hatte, bei ihrem Tempo mitzuhalten.
Dann sehen sie auch die Omi, hilflos auf einer Liege liegend, die sie mit grotesk gedehnten Nasenlöchern böse anfunkelt.
Sie gehen durch eine endlose Reihe von Liegen.
Irgendwann stoßen sie auf eine neue Tür aus Milchglas, auf der steht: "Dekubitusabteilung".
Sie gehen hindurch.
]]>Auf einmal geht die Tür zur Rhinitisabteilung auf.
Zwei Ärzte in weißen Kitteln stürzen aufgeregt gestikulierend hinaus. "...Ein avocadogroßes Geschwür, du weißt schon wo...!!!" "Nein was!!!" "JA - da können wir unmöglich operieren." "Er muss in die Spezialklinik - das können wir hier nicht machen!" "Aber dann werden wir nicht Ärzteteam des Monats!!"
"Entschuldigung!" Sagt Joao bestimmt und zieht einem der Ärzte am Ärmel.
Überrascht bleiben sie stehen und schauen zu Joao hinab.
Er sagt: "Wir sind Krankenhauskritiker. Wir müssen Sie das jetzt fragen. Wer hat wo ein avocadogroßes Geschwür?"
Samuel räuspert sich unbehaglich und tritt von einem Fuß auf den anderen.
Die Ärzte gucken sich kurz sprachlos an, dann runzelt der eine die Stirn und sagt: "Hau ab."
"Neinneinnein" stammelt Joao. "Wenn Sie da nicht weiterwissen - ich habe da einen Therapieansatz. Blutegel." Er hebt wegweisend den Zeigefinger. "Hab's in einem Pferdebuch gelesen!"
Die Gesichter der Ärzte fangen gerade an, rot anzulaufen, und der eine hat dem anderen gerade aus dem Mundwinkel heraus zugemurmelt: "Schmeißt du ihn raus oder ich", als der eine Arzt bei dem Stichwort "Blutegel" einen nachdenklichen Gesichtsausdruck bekommt.
Er sagt: "Wie meinen Sie das? Ich muss gestehen, von dieser Methode habe ich schonmal gelesen."
"Naja, Sie setzen einen oder mehrere Blutegel auf die Schwellung und die saugen das schlechte raus." Antwortet Joao selbstsicher.
Wieder werfen sich die beiden einen nachdenklichen Blick zu. Dann flüstert der eine dem anderen zu: "Jürgen, wenn wir ihn vor übermorgen noch operiert bekommen, ist uns der Pokal als Mitarbeiterteam des Monats sicher..." "Stimmt..." murmelt der Arzt namens Jürgen zurück und bekommt einen gehetzten, gierigen Blick.
Die beiden gucken kurz ratlos, dann sagt der Arzt, der nicht Jürgen ist: "Der Chef hat doch sogar ein Aquarium in seinem Büro voller Blutegel, das fällt doch nicht auf, wenn da zwei fehlen."
"Das fällt wirklich nicht auf" stimmt ihm Jürgen zu und schränkt dann ein: "Obwohl, er liebt sie schon wirklich sehr, haben die nicht auch alle Namen? Ich kam mal in sein Büro, als er eins von denen auf seiner Hand hatte und ihm die Nase abgeleckt hat"
"Ach, egal, der merkt das schon nicht." Beschwichtigt der andere Arzt, der nicht Jürgen ist.
"Der Chef ist doch auch gerade in Istanbul bei dieser Konferenz, wie man Organe 3D druckt oder nicht? Dann können wir doch mal eben ein paar Egel aus dem Aquarium in seinem Büro stibitzen."
"Wisst ihr denn auch, wie man die Blutegel setzt?" Fragt Jürgen Joao misstrauisch.
"Ach klar!" Prahlt Joao. "Schon tausendmal gemacht. War Voraussetzung um Krankenhauskritiker zu sein, wir müssen alle Operationen auch selbst durchführen können, damit wir wissen, ob die Ärzte sie gut machen. Deshalb können wir das alles locker im Schlaf."
"Na gut. Seid ihr immer so viele??" Fragt der Arzt, der nicht Jürgen ist und deutet auf Samuel, der ja immer noch ganz blutig ist, auf den miesepetrig dreinschauenden Wachmann mit der Pistole am Gürtel und die eine Lady mit dem herunterhängenden Kleid.
"Ja" sagt Joao.
Der Arzt überlegt kurz und sagt dann: "Okay- wir holen die Blutegel und treffen euch hier gleich wieder, dann gehen wir gemeinsam in den OP- Raum und ihr macht das. Bis gleich."
"Das Gute ist" murmelt der andere Arzt Jürgen zu "es ist nicht schlimm, wenn irgendwas daneben geht. Statistisch betrachtet, können wir uns noch Fehler erlauben, und wenn alles gut läuft, werden wir Mitarbeiter des Monats. Wir können nur gewinnen." Er nickt nochmal bekräftigend, und die beiden laufen davon.
]]>Sorglos schlurft sie in abgelatschten Puschen vor ihnen lang und summt irgendwas.
Sie steht vor dem Fahrstuhl und weiß nicht, wo sie draufdrücken muss.
Joao sagt: "Drück auf den Knopf hier" und zeigt auf den einzigen riesigen, dicken Knopf und zack sind sie im Gespräch.
"Ja, junge Frau, wo treibt es sie denn hin an so einem schönen Sommertag?" Fragt er.
Geschmeichelt von dem "junge Frau" kichert die Omi, wirft ihm einen schüchtern - frechen Blick von der Seite zu und sagt: "In die Rhinitisabteilung, und Sie? Huch! gehören die etwa alle zu Ihnen?" Gluckert sie und zeigt auf den ganzen Haufen hinter Joao, inklusive den traurigen Wachmann und den immer noch blutigen Samuel.
Joao grinst und sagt: "Ohja! Die gehören alle zu mir. Wir sind Krankenhauskritiker und gucken uns hier mal um. Was würden Sie denn sagen, fühlt man sich hier als Patient wohl?"
Die Oma guckt schnell in beide Richtungen und flüstert dann: "Stellen Sie doch nicht so viele Fragen!! Sie bringen sich in Teufels Küche damit- ich kann und will nichts dazu sagen, Sie wissen ja gar nicht, was Sie da tun, was Sie da wieder aufwühlen!!! Am besten sind Sie einfach ganz ruhig und halten ihr KLEINES VORLAUTES MAUL!!"
Jetzt ist sie gar keine liebe alte Oma mehr.
Da macht es auch schon 'Pling' und die Fahrstuhltüren gleiten auf. Sie wirft ihnen einen letzten vernichtenden Blick zu und schlurft in den Fahrstuhl. "Hinterher!!" Brüllt Joao, und alle stürmen hinterher.
Die Fahrstuhltüren gleiten zu und mit einem Ruck setzt er sich in Bewegung.
"Ahhh meine Schwanzspitze!!!" Maunzt Fiona. Ihre Schwanzspitze ist zwischen den Fahrstuhltüren stecken geblieben.
"Wir sind doch gleich schon oben, ist ja nur ein Stockwerk" tröstet sie Joao, und da sind sie auch schon da.
Ab jetzt hat Fionas Schwanz oben einen Knick, daran wird man sie immer erkennen können.
Der ganze Trupp marschiert aus dem Fahrstuhl.
Die Oma schlurft wütend hinterher und flüstert vor sich hin: "Tauchen hier auf und stellen Fragen, ich kann's nicht fassen!" "Ist doch nichts dabei" sagt eine der Ladies laut und wirft der Oma einen bösen Blick zu. "Sie haben auch einen an der Waffel, oder, sie olle Alde, sie gehören schon irgendwie in die Geschlossene oder ins Altersheim"
Die Oma bleibt wütend stehen und dreht sich um: "ICH GEHÖRE IN DIE RHINITISABTEILUNG" sagt sie scharf. "Sie sehen, meine Nase tropft. Ich bin noch sehr fit für mein Alter! Fragen Sie den Doktor!"
"Genau das werden wir tun!" Sagt die andere der Ladies hochmütig.
Die Oma ruft nachdrücklich: "Halten Sie sich raus aus Dingen, die Sie nichts angehen!!!"
"Aber entschuldigen Sie bitte" wirft der Dicke nun ein. "Als Krankenhauskritiker muss man Fragen stellen! Wir haben eine wichtige gesellschaftliche Funktion, verstehen Sie das nicht?"
"Meines Wissens nach hat ein Wasserkocher nur eine Funktion, nämlich Wasser zu kochen." Sie wirft Joao einen hochmütigen Blick zu, der den Blick verletzt erwidert, er wird nicht gerne als Objekt betrachtet.
"Aber wir anderen, wir anderen!!" Erinnert sie der Dicke. "Wir sind keine Wasserkocher!!" Die Oma bleibt stehen und holt tief Luft. Sie funkelt sie an und sagt: "Ein für alle mal. Hier passieren Dinge, die können Sie sich nicht vorstellen. Noch haben Sie die Möglichkeit, unbehelligt das Krankenhaus zu verlassen, aber wenn Sie einmal zu tief drinstecken, gnade ihnen Gott...."
"Geben Sie uns wenigstens einen Tip, worum es geht" bettelt Joao.
Sie schüttelt verbissen den Kopf, schlurft bestimmt durch ihre Mitte und durch eine Milchglastür hindurch, auf der "Rhinitisabteilung - Zutritt nur für befugte" steht.
"Als ob die befugt ist!" Raunt Joao und starrt die Tür gierig an.
"Wie kriegen wir denn jetzt die Magensonde" fragt der Wachmann weinerlich.
"Ups- ganz vergessen" kichert Fiona bösartig, "da war ja was". Und umspielt mit ihrer verknickten Schwanzspitze die Milchglastür, hinter der sich schemenhaft Menschen bewegen.
]]>"Ja, jetzt ist die Frage halt nur- wo gibt's denn Magensonden?" Grübelt Joao. "Vielleicht in einem Elektrofachgeschäft?"
Alle schweigen ratlos.
Dann zeigt eine der Ladies über die Straße und sagt: "Da ist doch ein Krankenhaus. Kommt, wir gehen da einfach mal rein?"
Da keiner eine bessere Idee hat, nicken alle zögerlich. "Soll ich den Dicken wieder losmachen?" Fragt Joao in die Runde. Bei der Bezeichnung "der Dicke" guckt der Dickbäuchige traurig nach unten und murmelt: "ich hab eine Schilddrüsenunterfunktion."
"Soll ich ihn jetzt losmachen oder nicht??" Fragt Joao, nochmal an den Dickbäuchigen gewandt: "Meinst du ich kann dich losmachen, oder rennst du dann weg?" Ergeben in sein Schicksal nickt er.
Gemeinsam stiefeln sie also in Richtung Krankenhaus.
Auf einem riesigen Schild steht: "Leberinfusionen, Rhinitiskurierung und Dekubitusvermeidung".
"Da müssen wir hin!" Ruft der kleine Wasserkocher zuversichtlich und stößt kampfbereit die Faust in die Luft.
Der Wachmann trottet ungeheuer deprimiert hinterher.
Nach einem kurzen Drama (Joao rennt ohne zu gucken über die Straße und verursacht einen Auffahrunfall) betreten sie eine nach Klinik stinkende Eingangshalle, aber das ist ok, es ist ja auch eine Klinik.
Sie gehen durch zur Rezeption.
Am Empfang sitzt ein Jüngling in weißem Kittel. Er sieht fast aus wie ein Engel. "Du siehst fast aus wie ein Engel." Sagt Joao.
Der Junge schaut überrascht auf. "Kann ich Ihnen behilflich sein?" Fragt er höflich.
"Jaa also, wir haben folgendes Problem..." fängt der kleine Wasserkocher umständlich an zu erörtern, und erzählt höchst detailliert alles, was zwischenzeitlich vorgefallen war, seitdem er Fiona im Flugzeug kennengelernt hatte.
Eine halbe Stunde später fragt dann der Jüngling verwirrt: "Und wie kann ich Ihnen dann jetzt behilflich sein??"
"Naja, wir brauchen eine Magensonde. Kann man die hier kaufen, am besten billig?" Springt letztendlich eine der Ladies in die Bresche.
Der Wachmann schaut währenddessen unfassbar verzweifelt an die Decke und bewegt betend die Lippen.
"Quatsch." Sagt der Jüngling nur und widmet sich wieder seinem Computer.
Da stehen sie nun.
Da kommt eine Oma mit tropfender Nase angeschlurft und fragt den jungen Mann: "Entschuldigung, junger Mann, wo geht's denn hier zur Rhinitisabteilung?" Der junge Mann murmelt gleichgültig: "1.Stock links Gang ganz durch dritte Tür rechts einmal durch"
Joao, Fiona, der Dicke, die Ladies, Samuel und der Wachmann werfen sich einen schnellen Blick zu und folgen dann eiskalt der Oma.
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